Gebet: 2x Fasten in den Büchern Esra und Nehemia

Klage, Umkehr, Gottesbegegnung – es gibt vielfältige Gründe, warum Menschen in der Bibel auf das Essen verzichten und dadurch den Ernst ihres Betens betonen. Eine besondere Notsituation liegt auch nach dem babylonischen Exil vor: Zwar kam es unter der Führung des Statthalters Serubbabel zu einer Rückkehr (der verbannten Oberschicht) nach Juda und in Folge zum erneuten Bau eines Tempels in Jerusalem. Aber die Region war verelendet, so dass zwei in Babylon zurückgebliebene Männer sozusagen als Entwicklungshelfer anreisten. Von beiden sind Berichte in Ich-Form überliefert, an deren Anfang wir jeweils von einem Fastengebet lesen. Folgende zwei Anliegen sind dabei zu erkennen.

1. Bitte um Schutz

Kapitel 8 von Esra listet in der ersten Hälfte auf, wer alles zur Reisegruppe gehörte. In der zweiten Hälfte wird zudem aufgezählt, welche Gaben für den Tempel mitgenommen und welche Tiere nach Ankunft geopfert wurden. Dazwischen berichtet Esra, dass er vor dem Aufbrechen einen Fasttag anordnete (Vers 21): “Wir alle wollten uns vor unserem Gott beugen und ihn um eine glückliche Reise bitten für uns und unsere Familien und allen Besitz, den wir mitnahmen.” Alternativ hätte auch König Artaxerxes um eine Reitertruppe gegen feindliche Überfälle gebeten werden können, aber Esra bereute die Entscheidung für alleiniges Fasten und Beten zu Gott offenbar nicht (V. 22-23).

Wie schon zuvor (Esra 2) – und auch an vielen Stellen der Chronikbücher – fragt man sich: Familien- und Besitzauflistung – ein ganzes Kapitel lang? Dass diese Informationen für die Nachwelt so wichtig sein sollen, ist für uns heute kaum mehr nachvollziehbar. Doch die vielen Namen und Zahlen wurden anscheinend als nichts weniger als ein Wunder begriffen: Mit all denen bzw. mit all dem ging es nach dem Exil weiter – was für ein Glück! Hätte man bei aller Bedrohung nicht eher gewettet, dass niemand und nichts jemals zurück in die Heimat gelangen wird? Wahrscheinlichkeitsrechnung war Esra und den mit ihm Heimkehrenden aber egal; sie rechneten unbeirrt mit der Hilfe ihres Gottes.

2. Bitte um Gnade

Kapitel 1 von Nehemia beginnt mit einer Beschreibung des Lebens in der Provinz Juda – nämlich in Schande und in Trümmern. Nehemia reagiert darauf sehr stark (Vers 4): “Als ich das hörte, setzte ich mich nieder und weinte. Tagelang trauerte ich, fastete und flehte den Gott des Himmels an.” Zudem werden Gebetsworte in direkter Rede wiedergegeben (V. 5-11). Nehemia bekennt dabei das Unrecht, wie Gottes Volk die Gesetze von Mose missachtet hat und wie diese Untreue zur Zerstreuung unter die fremden Völker geführt hat. Er ruft aber auch in Erinnerung, dass bei einer Rückkehr zu den Geboten ein göttliches Heimbringen versprochen ist. Und so bittet er um Gunst – und zwar ganz konkret durch König Artaxerxes, dass der ihm als dessen Mundschenk gnädig ist.

Und so gelangt Nehemia bald mit königlichen Vollmachten nach Jerusalem, wo er den Wiederaufbau der Stadtmauer in Angriff nimmt. Nach deren Einweihung wird zudem noch von Reformen zur Reinhaltung der Tempelgemeinde berichtet, die Nehemia durchsetzte (Neh 13). Auch da ist die Aussonderung aller Fremden und das Verbot der Mischehen für uns heute wenig nachvollziehbar. Damals dürfte das aber tatsächlich im Sinne der freundlichen Treue Gottes verstanden worden sein: Die jüdische Identität hat sich nicht in anderen Kulturen aufgelöst – unsere Gebete sind erhört worden! Nichtsdestotrotz ist Gott grundsätzlich ein Überwinder von Mauern jeglicher Art und nicht deren Befürworter. Wie wir im Galaterbrief nachlesen können, war das für den Gnadenapostel Paulus jedenfalls DIE zentrale Erkenntnis.

Sollte man für all diese fanatische Religiosität wirklich Verständnis zeigen?

Ich gebe zu, dass auch mir die strikte Grenzziehung zwischen zum Tempelkult zugelassenen Personen einerseits und allen anderen ohne Nachweis der nötigen Abstammung andererseits sehr zwanghaft vorkommt. Gesunde Spiritualität begegnet mir anders. Trotzdem will ich vor der besonderen Situation in der Geschichte Israels damals Respekt haben. Und im Blick auf Fanatismus in der heutigen Welt möchte ich darauf aufmerksam machen, dass insgesamt doch eher Gleichgültigkeit unser Hauptproblem ist! Von Esra und Nehemia kann man sich also durchaus eine Scheibe abschneiden, was ihr leidenschaftliches Engagement anbelangt. Sie beteten voller Hunger nach (Wiederherstellung von) Gerechtigkeit und unterstrichen dies mit Fasten. Wie stellst du dir eine gerechtere Zukunft vor? Bist du hungrig danach?

Ja, die Bekämpfung von Unrecht kann blind für neue Ungerechtigkeit machen. Darum richte ich meinen Hunger am liebsten auf Jesus, der die göttliche Gerechtigkeit in Person ist. Er hat gesagt (Joh 6,51; vgl. 35 u. 48): “Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist.” Jesus will alle Menschen sättigen, die im wörtlichen oder übertragenen Sinn am Verhungern sind – auch durch dich und mich. Und mit einer solchen Perspektive ist es also möglich, ein ungesundes Beten und Fasten zu vermeiden. Für wen oder was könntest du jetzt gerade um Bewahrung (1) und/oder Wohlwollen (2) bitten? Vielleicht hast du auch gerade bemerkt, dass du in letzter Zeit allzu satt und gleichgültig warst. Dann wäre das ja ein Gebetsanliegen, mit dem du einsteigen könntest.

Web-Favoriten zu den Büchern Esra und Nehemia

Wer hier drauf klickt bekommt von bibelwissenschaft.de einen kompakten Überblick. Der Wiederaufbau Jerusalems ist übrigens auch ein beliebtes Predigtthema und wird z.B. vom Gebetshaus Augsburg in folgendem Kurzvideo auf unsere heutigen Entscheidungen zwischen Entmutigung und Ermutigung übertragen (knapp 8 min):

Dies war ein Blogartikel im Rahmen meines eigenen Projektes 8etappen.net und ich hoffe, er hat Lust darauf gemacht, auch selbständig auf Bibel-Entdeckungsreise zu gehen! Fange doch auch mit Etappe 1 an und folge mir in deinem eigenen Tempo! Ich lese nun Etappe 5 zu Ende und werde so nächsten Monat wieder einen kurzen Artikel (zu den Psalmen) schreiben sowie hier veröffentlichen. Deine Bemerkungen zu den Büchern Esra und Nehemia würden mich übrigens auch sehr interessieren – Kommentieren ist also höchst erwünscht!!

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