Was steht in der Bibel? – Zusatzantwort

Vorletztes Jahr habe ich die Frage nach dem biblischen Inhalt mit vier Thesen beantwortet. Seither habe ich acht Bücher aus dem Alten Testament und sechs aus dem Neuen Testament noch ein zweites Mal gelesen. Dieser erneute Durchgang hat die vier Thesen einerseits bestätigt und mich andererseits angeregt, noch eine fünfte zu formulieren. Mit dieser werde ich enden, nachdem ich nun zuerst noch die weiteren Entdeckungen zu meinen vier Thesen präsentieren möchte.

Protest und Leben

Meine erste These war: In der Bibel gibt es beharrlichen Protest, weil es beharrlich ungeschützte und irregeleitete Menschen gibt. Wieder ist mir im Markusevangelium der schockierende Jesus begegnet, der gegen einschüchternde Systemzwänge protestiert – diesmal durch Abgrenzung des Gottesvolkes (z.B. gegenüber falschen Geboten und Gesetzen). Auch Jeremias Prophezeiungen an die Leute aus Jerusalem waren erneut spannungsgeladen – diesmal durch einen Konflikt mit anderen Propheten und durch einen mit dem König. Die Ungeschützten und Irregeleiteten waren für mich diesmal aber ebenso in der Jesaja-Apokalypse und in den Gottesknechtsliedern nicht zu übersehen – insbesondere wie eindrücklich sie da auf ihre Herabwürdigung reagieren!

Meine zweite These war: In der Bibel geht es um das Leben, auf dass man erfahrungsreich und sinnvoll lebt. Erneut traf ich im Buch Numeri auf die Erfahrung, was für eine weitreichende Wirkung unsere Worte haben können – diesmal am Beispiel des Klagens bei den Prüfungen in der Wüste. Um Herausforderungen des Lebens geht es aber auch im Buch Levitikus, wonach Israel sich als besonders erweisen soll – d.h. teils als konservativeres, teils als progressiveres Volk. Und im Johannesevangelium wurde aus der Sinnsuche für mich dann eine konkrete Einladung – nämlich in die (unterschiedliche Phasen durchlaufende) Jesus-Nachfolge.

Gott und Orte

Meine dritte These war: In der Bibel teilt sich ein einziger Gott mit, der dann auch als einzigartig gerühmt und geehrt wird. Diesmal ist mir die Einzigartigkeit des biblischen Gottes ganz stark durch das Matthäusevangelium ins Auge gesprungen, wo Jesus die Erwartungen an den im Alten Testament angekündigten Messias/Christus (nicht) erfüllt – als Licht für alle Völker und nicht nur für das jüdische, selbst leidend und gerade dadurch vom Leid befreiend usw. Zudem hat mich diesbezüglich das Buch Exodus sehr beeindruckt, wo der HERR seinem Diener auf Augenhöhe begegnet – wo Mose nicht nur überzeugt wird, sondern selbst überzeugen kann.

Meine vierte These war: In der Bibel trifft man auf Orte, wo betende und ersehnende Menschen ihren Gott antreffen. In den Bestimmungen des Buches Deuteronomium habe ich diesmal über den erwählenden Gott gestaunt, der den israelitischen Menschen besonders nahe sein und unter ihnen wohnen will. Und ich war fasziniert von Hesekiels Entrückungen zum alten und neuen Jerusalemer Tempel – zur Herrlichkeit des HERRN, die sich verabschiedet und dann wieder zurückkehrt.

Und nun mein Satz Nummer 5…

Fünfte These: In der Bibel stehen Menschen immer wieder vor Hürden, die Gott aber für sie und mit ihnen überwindet.

Das ist mir diesmal als weiterer roter Faden durch die Bibel aufgefallen! Der Römerbrief beginnt mit einem Urteil, das den Menschen in die Enge treibt. Er endet aber mit der Überzeugung, dass Gott die Gemeinde als Ort der Weite sieht. Auch im Buch Genesis ist Gottes Ziel immer wieder Nähe, indem er mit Menschen wie Noah oder Abraham neu beginnt. Deren Vorgeschichten starten aber jeweils damit, dass zunächst Distanz markiert wird. Auch an vielen anderen Stellen wiederholt sich dieses Muster: Wir erkennen uns als distanziert und es wird eng für uns, aber dann dürfen wir Gott als nahe erkennen und für uns wird es weit!

Im Lukasevangelium sind viele Leute nur Randfiguren – ja, eigentlich disqualifiziert: Hanna ist zu alt, Jaïrus zu spät, Zachäus zu klein und Josef von Arimathäa hat die falsche Mitgliedschaft. Und doch spielen gerade diese Typen in der Jesus-Geschichte plötzlich wichtige Rollen! Auch in der Apostelgeschichte desselben Autors kann nichts Gott aufhalten – keine Unterschlagung, kein Wüten, keine Teufelei, kein Streiten, keine Bestechlichkeit. Für jedes Problem gibt es eine Lösung – und wenn nicht durch uns, dann halt trotz uns!

Fünftes Fazit: Mit Gott die Mauern überspringen und die Grenzen überschreiten - diese Botschaft ist für die Bibel zentral. Trotzdem wird sie ständig beiseite geschoben: Warum setzen so viele Menschen, die sich für biblisch orientiert halten, mehr auf ihre irdischen Möglichkeiten als auf diejenigen des Himmels?

Thematisch relevante Links

Der vielzitierte Vers 30 aus Psalm 18 ist auch in einigen Liedern schön verarbeitet worden. In Ich glaub an dich singt Adina Mitchell (geschrieben von Florian Sitzmann und Johannes Falk): „…weil ich nicht glauben kann, du mir zu glauben hilfst, damit ich mit dir über Mauern springen kann.“ Auch von Samuel Harfst hört man in seinem Song Fürchte dich nicht: „Zusammen können wir über Mauern springen, Riesen bezwingen.“ Und die Band Könige & Priester bekennt „Ich kann mit dir über Mauern springen, ich kann mit dir selbst in Trauer singen…“ im folgenden Lied:

Mit 8etappen.net habe ich versucht, einen Leseplan zusammenzustellen für Leute, die einen Anfang (oder Neuanfang) mit der Bibel wagen möchten. Herzliche Einladung also noch einmal an DICH, auch bei Etappe 1 anzufangen und mir zu folgen. Und alle, die wie ich wie ich sämtliche Etappen geschafft haben und nun etwas Flexibleres zur individuellen Vertiefung wünschen, weise ich gerne auf In 5 Etappen durch die Bibel sowie In 3 Etappen durch die Bibel hin. Da ich ab Mai zusätzlich als IGW-Studienleiter arbeite, werde ich erst einmal keine Zeit mehr zum Bloggen haben. Aber vielleicht poste ich ja sporadisch dann doch wieder mal etwas – oder starte irgendwann gleich komplett einen neuen Blog…

2 Kommentare Füge deinen hinzu
  1. Hey Til,
    Mein Gedächtnis ist schwach.
    Ich suchte gerade nach deinem Essay „nicht immer. ich bin noch am Anfang“… (.. wandle im hl. Geist…), fand es hier nicht, wäre aber vllt gut, es gleich hier zu finden.
    Und: Danke überhaupt für deine Arbeit, fürs Teilen.
    Herzlich verbunden – im brüderlichen Jesus, im gewaltigen Rufer Jesus.
    Gabriel

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