Wüste: 2 Prüfungen im Buch Numeri

Über das vierte der fünf Tora-Bücher habe ich bereits einen Blogartikel geschrieben, wo ich dem Ausgesprochenen und dessen weitreichender Wirkung nachgegangen bin. Diese Thematik schwingt auch hier mit, wenn ich mich nun noch einmal vertieft mit dem Murren des Volkes Israel auseinandersetze. Dabei geht es nicht nur um schlechtes Reden gegen Mose, sondern überhaupt gegen Gott persönlich. Wegen diesem wandern ja die Leute auf der sowohl gebirgigen als auch wüstenhaften Sinai-Halbinsel umher – inzwischen fern vom ägyptischen Nildelta und gleichzeitig immer noch in Distanz zum kanaanäischen Westufer des Jordans. Ganz konkrete, körperliche Grunderfahrungen führen dort zum Aufbegehren gegen den HERRN – z.B. die beiden folgenden.

1. Wenn im Mund KEIN Wasser zusammenläuft…

Jammern und Klagen – Kapitel 11 ist voll davon: Die israelitische Unzufriedenheit ruft den göttlichen Zorn und damit einen Zeltbrand hervor, der nur dank Moses Fürbitte gestoppt werden kann (Verse 1-3). Die Forderung nach besserem Essen – Fleisch, Fisch, Gurken, Melonen, Lauch, Zwiebeln, Knoblauch – blendet die negativen Erfahrungen in Ägypten komplett aus (V. 4-5). Darüber ärgert sich wiederum Mose, so dass er gegenüber dem HERRN seine Verantwortung fürs Volk hinterfragt (V. 10-15). Eigentlich könnte man ja dankbar sein für das Manna, das jede Nacht mit dem Tau aufs Lager fällt (V. 7-9). Aber die Stimmung ist im Keller (V. 6): „Darauf ist uns der Appetit gründlich vergangen!“

Man könnte das Hebräische hier auch ganz wörtlich übersetzen: Unser Rachen ist trocken! Nichts fährt hier offenbar die Produktion von Speichel und anderen Verdauungssäften hoch. Doch nun darf Mose für 600’000 wehrfähige Männer (V. 21) Fleisch ankündigen (V. 18-20) und er soll das dem HERRN gefälligst zutrauen (V. 22)! Gleichzeitig will dieser von seinem Geist, der auf Mose ruht, nehmen und auch auf 70 zusätzliche Verantwortungsträger legen (V. 16-17). Dies geschieht nicht nur vor dem Heiligtum, so dass sich auch zwei im Lager gebliebene Männer dort wie Propheten aufführen (V. 24-27). Mose kommentiert wohlwollend (V. 29): „Ich wünschte, der HERR würde seinen Geist auf das ganze Volk legen und alle wären Propheten!“ Doch auf der Wunschliste der Israeliten stehen Wachteln weiter oben und so markieren ‚Gräber der Gier‘ das tödliche Ende der Erzählung (V. 31-35).

2. Wenn man den langen Atem NICHT hat…

Kampf und Schlacht – das ist in Kapitel 21 das Tagesgeschäft: Um gegen den König von Arad zu siegen, legen die Israeliten ein Gelübde ab (Verse 1-3). Nach der Einnahme von Heschbon, der Stadt des amoritischen Königs Heschbon, wird gedichtet (V. 26-30). Mose soll auch keine Angst vor König Og von Baschan und seinem Heer haben (V. 33-35). Ein ganzes ‚Buch der Kriege des HERRN‘ (V. 14) konnte gefüllt werden. Und doch klagen die Israeliten auch hier erneut Gott und Mose an (V. 5): Das Manna in der Wüste hängt ihnen zum Hals heraus – es gibt kein Brot wie in Ägypten und kein Wasser. Darauf schickt der HERR giftige Schlangen und wieder wird das Ganze erst durch Moses Fürbitte und eine mysteriöse Bronze-Schlange an einer Stange gestoppt (V. 6-9).

Mit einem Lied wird zwar ein Brunnen besungen, durch den der HERR dem Volk das gewünschte Wasser gibt (V. 16-18). Die Israeliten können am Ende im Amoritergebiet wohnen, nachdem ihnen zunächst nicht einmal ein friedliches Durchziehen ohne auch nur einen einzigen Schluck Wasser erlaubt war (V. 21-23). „Doch unterwegs verloren sie die Geduld“ (V. 4) – ein mindestens so tief liegendes Problem wie der verlorenene Appetit! Eine ganz wörtliche Übersetzung aus dem Hebräischen würde seltsam klingen: Die Kehle des Volkes wurde unterwegs kurz. Doch genau darum geht es: fehlende Langmut = den Leuten geht buchstäblich die Puste aus. Sogar bei der Atmung gibt es also Probleme sozusagen und nicht nur bei der Nahrungsaufnahme!

Also mit Gott als zornigem Prüfer habe ich Mühe – du nicht?

Doch! Mich befremdet das hier beschriebene Feuer des HERRN ebenfalls – sei es in Form von brennenden Zelten, sei es in Form von beissenden Schlangen. Bei den Wachteln kann man ja noch sagen, dass die gestorbenen Israeliten mit ihrer Völlerei selbst zu ihrem Tod beigetragen hatten. Aber die anderen Strafen sind doch eindeutig künstlich und keine natürlichen Folgen! So ein Gott wäre nach heutigem Erkenntnisstand ein grottenschlechter Erzieher! Oder hat der HERR einfach nicht verhindert, was in einem Wüstenlager halt ständige Gefahren sind? Aber Unterlassen ist auch nicht viel weniger problematisch als Tun. Jesus wird zwar auch vom Geist Gottes in die Wüste geführt, aber bei ihm ist der Teufel der Versucher (s. Lk 4,1-13; vgl. Mt 4,1-11 u. Mk 1,12-13) – und es waren ‘nur’ 40 Tage (statt Jahre wie bei Mose). Restlos befriedigend ist jedoch selbst das nicht.

Eine Versuchung wäre wahrscheinlich gar keine, wenn nicht auch ein beunruhigendes Gottesbild zu allem hinzu kommt. Die Bibel ist hier also wohl weniger wahr im Sinne von korrekter Information als vielmehr im Sinne von authentischer Praxisnähe. Unsere deutschen Übersetzungen schaffen es zwar immer wieder, viel abstrakter vom (Seelen-)Leben zu sprechen als der Originaltext. Dort steht nämlich, wie oben gezeigt, oft ganz Gegenständliches wie das hebräische Wort für Rachen/Kehle/Hals. Vielleicht hast DU ja etwas gerade so empfunden, dass es besonders nahe auch an deiner momentanen Wirklichkeit dran war: Die Beschreibung (1) der Appetitlosigkeit? Die Beschreibung (2) der Ungeduld? Dann schlage ich dir folgende Schritte vor: a) Beginne nicht mit einer Kopf-, sondern mit einer Körperübung und spüre dem mal ganz physisch nach. b) Entlarve dann Lügen über Gott, die damit einhergehen (z.B. dass er dich nicht mit dem Richtigen versorgt oder dir nicht den richtigen Weg zeigt). c) Bitte ihn für diese falschen Vorstellungen um Vergebung und danke ihm stattdessen für die Wahrheit, dass er immer gut und treu zu dir ist!

Youtube-Favoriten zum Buch Numeri

Von Sommers Weltliteratur to go gibt es einen kurzweiligen, mit Playmobil-Figuren lustig gespielten Überblick (unter 11 min). Das Bibel Projekt wiederum hat ein themenbezogenes Video veröffentlicht, in dem zwischen zwei Arten von Prüfung unterschieden wird (unter 6 min):

Das war ein Blogartikel im Rahmen meines eigenen Projektes 8etappen.net und ich hoffe, er hat Lust darauf gemacht, auch selbständig auf biblische Entdeckungsreise zu gehen! Fange doch auch mit Etappe 1 an und folge mir in deinem eigenen Tempo! Ich selbst lese die Bibel gerade nach meinem Vertiefungsleseplan In 5 Etappen durch die Bibel und werde so in ein paar Wochen einen kurzen Artikel zur Apostelgeschichte schreiben sowie hier veröffentlichen. Deine Bemerkungen zum Buch Numeri würden mich übrigens auch sehr interessieren – Kommentieren ist also höchst erwünscht!!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert