Spannung: 2x Geladenes im Buch Jeremia

Habeck gegen Lindner, röm.-kath. Laien gegen ihren Klerus – in den Nachrichten begegnet man in vielen Bereichen einer polarisierten Situation. Dabei wäre eigentlich nötig, dass man gut zusammenarbeiten kann. Auch im alttestamentlichen Jerusalem hätte es so harmonisch sein können: Der König von Juda umgibt sich mit (seinen Beamten, aber auch) einem geistlichen Beratungsteam – und alle ziehen an einem Strang. Kein Prophet koche gefälligst sein eigenes Süppchen – schon gar nicht angesichts des gemeinsamen babylonischen Feindes! Aber leider spielte EINER nicht mit – nämlich Jeremia. In meinem ersten Blogartikel über ihn habe ich drei seiner Zeichenhandlungen betrachtet. Hier möchte ich nun folgende zwei Auseinandersetzungen anschauen.

1. Konflikt mit anderen Propheten

In Kapitel 29 spricht der Gott Israels zu denen, die bereits von Jerusalem nach Babel verbannt worden waren. Und zwar tut er es durch einen Brief, den Jeremia – nach dem Fortziehen von bereits vielen wichtigen Leuten aus Jerusalem – einer Gesandtschaft nach Babel mitgibt (Verse 1-3). Die Verschleppten sollen das Wort des HERRN hören – und nicht das Wort zweier Weissager, auf deren fälschliche Verkündigung (und deren ehebrecherisches Treiben) das Feuer von König Nebukadnezzar folgen würde (V. 20-23). So spricht nämlich der Gott Israels (V. 8-9): „Eure Propheten, die unter euch sind, und eure Wahrsager sollen euch nicht täuschen. Hört nicht auf die Träume, die ihr sie träumen lasst! Denn Lüge prophezeien sie euch in meinem Namen; ich habe sie nicht gesandt – Spruch des HERRN.“

Wie Micha, der Sohn des Jimla damals der wahre Prophet (gegenüber dem falschen Kultpersonal von Ahab und Isebel) war, so ist es jetzt Jeremia: Laut diesem würden zwar die Betenden und Suchenden erhört und es gehe von Babel auch wieder zurück nach Jerusalem – ABER dieses Heilswort erfülle sich erst nach 70 Jahren (V. 10-14). Entgegen den angeblich vom HERRN in Babel erweckten Propheten kämen zuerst noch Schwert, Hunger und Pest zu den in Jerusalem immer noch Wohnenden und immer noch nicht Hörenden (V. 15-19). In der Zwischenzeit sollten die Weggeführten das Stadtwohl suchen, Häuser bauen und sich dort vermehren (V. 5-7).

2. Konflikt mit dem König

In Kapitel 36 wird die Entstehungsgeschichte der Jeremia-Buchrolle erzählt: Einem Schreiber namens Baruch diktiert der Prophet alle bisher empfangenen Worte des HERRN, von denen das neueste nun also dieser Auftrag ist (Verse 1-4). In der Folge liest Baruch die Worte dann auch im Haus des HERRN vor, weil Jeremia dorthin nicht gehen darf (V. 5-10). Darauf folgt wiederum, dass sich auch die Beamten im Königspalast für die Buchrolle interessieren (V. 11-18). Und weil es nun gefährlich wird, sagen sie zu Baruch (V. 19): „Geh und verbirg dich, du und auch Jeremia! Niemand soll wissen, wo ihr seid.“ Nun werden nämlich dem König von Juda selbst alle Worte mitgeteilt (V. 20-21).

Wie Samuel damals bei Saul vergeblich Gehorsam statt Opfer einforderte, so können sich jetzt Jeremias Worte kein Gehör bei Jojakim verschaffen: Fortlaufend wirft der König von der vorgelesenen Buchrolle einen (wörtlichen) Abschnitt nach dem anderen ins angezündete Kohlenbecken – und befiehlt die Festnahme (Baruchs und) des Propheten (V. 22-26). An diesen ergeht das Wort des HERRN jedoch erneut, dass nach der Verbrennung der ersten Rolle eine zweite geschrieben werden soll (V. 27-28). Und es wird ein weiteres Unheilswort über Jojakim (und die Leute von Juda) hinzugefügt – sowie noch viele ähnliche Worte (V. 29-32). 

Also ich brauche ENTspannung – bin ich da bei Jeremias Gott falsch?

Jein! Zwar präsentiert sich die Bibel so stark als Widerstandsliteratur, dass ihr Anliegen ganz klar mehr ist als nur eine mystische oder weisheitliche Spiritualität. Aber ein sich rein an erbitterter Mehrheits- und Machtkritik berauschender Kult wäre genauso wenig biblisch. Darum ist die prophetische Frage immer, welche Botschaft in einer bestimmten Situation gerade dran ist. Und so hatte der arme Jeremia einen überwiegend konfliktreichen Auftrag, weil er sich mit seinen Gerichtsworten über Jerusalem natürlich sehr unbeliebt machte. Immerhin durfte er aber auch Heil prophezeien – nämlich für diejenigen, welche sich mit der (vorübergehenden) Herrschaft Babels abfinden konnten. Stets spricht also derselbe Gott, aber eben situativ unterschiedlich. Im ganzen zweiten von den drei Teilen des Jesajabuches findet man z.B. 0 % (!) Unheilsprophetie – ein völlig entspannendes Gegenbeispiel, das es ebenfalls gibt.

Auch Jesus prallte durch seine Verkörperung von Gottes Wort (und Reich) mit den pharisäischen Schriftgelehrten (und der herodianischen Dynastie) zusammen, ohne deswegen selbst irgendwie ein streitsüchtiger Wichtigtuer zu sein. Wie schon bei Jeremia sind es wieder die Tonangebenden von Jerusalem, die weder ihr (selbst-)zerstörerisches Handeln noch den gekommenen Problemlöser erkennen. Dieser kann über so eine Stadt also nur noch weinen (Mt 23,37 u. Lk 13,34; vgl. Lk 19,41-44): „Wie oft wollte ich deine Kinder sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt; aber ihr habt nicht gewollt.“ Was findest DU heute zum Weinen? Vielleicht (1) gibt es Leute, die auf irgendeinen Abkürzungstraum hören und dringend ent-täuscht werden sollten. Oder (2) da ist eine Regierung, die irgendwelche Verfolgung ausübt und also erst recht fortgesetzte Kritik verdient. Ich möchte dich ermutigen, da entweder selbst ein(e) Jeremia zu sein oder eine(n) bzw. mehrere zu unterstützen (mit Gebet und/oder Geld).

Youtube-Favoriten zum Buch Jeremia

Sommers Weltliteratur to go hat ein lustig mit Playmobil-Figuren inszeniertes Kurzvideo für den Überblick (11 min) veröffentlicht. Vom Projekt Worthaus gibt es eine ausführliche Einführung – aufgegliedert in Teil 1 (73 min) und Teil 2 (76 min). Und ich selbst habe mal eine Predigt über den klagenden Jeremia gehalten (23 min):

Das war ein Blogartikel im Rahmen meines Projektes 8etappen.net und ich hoffe, er hat Lust darauf gemacht, auch selbständig auf biblische Entdeckungsreise zu gehen! Fange doch auch mit Etappe 1 an und folge mir in deinem eigenen Tempo! Ich selbst lese gerade nach meinem zweiten Vertiefungsplan In 3 Etappen durch die Bibel weiter und werde so in ein paar Wochen einen kurzen Artikel zum Buch Hesekiel schreiben sowie hier veröffentlichen. Deine Bemerkungen zu Jeremia würden mich übrigens auch sehr interessieren – Kommentieren ist also höchst erwünscht!!

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