Augenhöhe: 2 Begegnungen im Buch Exodus

Über das zweite der fünf Tora-Bücher habe ich bereits einen Blogartikel geschrieben, wo ich auf drei Stationen des Auszugs aus Ägypten jeweils kurz eingegangen bin: Freiheit, Recht, Einigkeit. Diesmal möchte ich die längeren Gespräche zwischen Mose und Gott beleuchten, die das Ganze umrahmen. Ort des Geschehens ist der Berg Horeb/Sinai – was natürlich zunächst die Niedrigkeit des Menschen als Ausgangslage unterstreicht. Gleichzeitig bedeutet das aber: Gott setzt die Höhenmeter des Treffens so an, dass sie (für ihn selbst auch eine beachtliche Erniedrigung und) für Mose immerhin eine kleine Erhöhung bedeuten! Folgende zwei Dialoge ergeben sich daraus, bei denen der Unterschied von ‚tief unten‘ und ‚hoch oben‘ immer mehr eingeebnet wird.

1. Gott überzeugt Mose.

Die Berufungsgeschichte, die in Kapitel 3 beginnt und sich im darauffolgenden Kapitel fortsetzt, gehört zu den bekannteren – Stichwort: brennender Dornbusch. Sie knüpft an die zuvor beschriebene Gewalt des Pharaos an und führt zu den zehn Plagen. Mose erhält zuerst den Befehl, nicht näher zu kommen – und er hat auch wirklich Angst davor, Gott anzuschauen (Verse 5 und 6). Zudem fragt er (V. 11): Wer bin ich schon? Gott hat allerdings bereits davon gesprochen, dass er zur Rettung seines Volkes aus der Gewalt der Ägypter „herabgekommen“ sei (V. 8). Die indirekte und dennoch bereits mutigere Frage nach seinem Namen (V. 13) beantwortet er geheimnisvoll und doch klar.

Gott ist also nicht nur der HERR da oben, der auf seinem Berg durch einen Engel in einer Flamme erscheint (V. 1 u. 2). JHWH (so der Name im hebräischen Original) klingt durch den zweimaligen Konsonanten H(e) ähnlich wie ʾHJH – übersetzt „Ich bin“ (V. 14). Die Zusage an Mose, der konkret Israel aus Ägypten herausführen soll, ist nämlich: „Ich bin mit dir“ – so das „Ich stehe dir bei“ (V. 12) wörtlich. Dieser Gott will offenbar weniger über allem und von allem losgelöst, sondern vielmehr verBUNDen sein – „der Gott der Hebräer“ (V. 18), „der Gott eurer Vorfahren, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs“ (V. 15 u. 16). Und so darf auch Mose mehr sein als nur einer da unten, dem abgesehen von Ja, Herr keine weiteren Antworten erlaubt sind (V. 4). Er geht ja gerade nicht schnell wieder bergab und auf sichere Distanz zum Merkwürdigen, sondern denkt kühn (V. 3): „Das muss ich mir aus der Nähe ansehen.“ Nein, so etwas disqualifiziert ihn nicht für Gott – im Gegenteil! Vor allem ist es hier aber Gott, der sich qualifiziert – für Mose.

2. Mose überzeugt Gott.

Vom (falschen) Anbeten und vom (Für-)Bitten handelt die Erzählung, die in Kapitel 32 beginnt und sich in den beiden darauffolgenden Kapiteln fortsetzt. Sie unterbricht die ausführliche Schilderung vom Bau des transportablen Heiligtums, der davor angeordnet und danach ausgeführt wird. Den Israeliten dauert das offenbar zu lange, so dass sie kurzerhand Gottesdienst auf ihre eigene Art feiern (Verse 1 bis 6). Dies hat zur Folge, dass Mose in Wut gerät und entsprechend (über)reagiert (V. 15-29). Aber auch der HERR will „dieses Volk“ (V. 9; vgl. V. 7: „dein Volk“ = Moses Volk) im Zorn vernichten (V. 10). Mose ist darum gleichzeitig auch der, welcher besänftigen will und darum zu seinem Gott fleht: Denk an das Land, das du versprochen hast – „deinen Dienern Abraham, Isaak und Jakob“ (V. 13; vgl. V. 11 u. 12: „dein Volk“ = Gottes Volk)!

Tatsächlich „lenkte der HERR ein“ (V. 14) und gab so Mose – nachdem dieser ihn um Vergebung gebeten hatte – sein Wort (V. 34): „Führe das Volk in das Land, von dem ich gesprochen habe! Mein Engel wird vor dir hergehen.“ Noch sagt er zwar nicht „mein Volk“ und zunächst will er auch nicht selbst vor Mose hergehen. Aber immerhin darf man nun doch wieder irgendwie auf das versprochene Land hoffen – auch wenn Mose nicht jegliches Unheil komplett abwenden kann (V. 35). So wie die Geschichten von Noah und Abraham im Kontrast zu Riesen und einem Turmbau stehen, so steht die Beschreibung des durch Mose autorisierten Heiligtums einer eigenmächtig angefertigten Götterfigur gegenüber. Diesmal bedeutet der Neubeginn jedoch nicht, dass nur Mose mit seiner Familie überlebt bzw. ohne den Rest ins Land Kanaan zieht. Das Gebet hat bewirkt, dass es für die Israeliten insgesamt glimpflich ausgeht. Mose sei Dank! (Gott natürlich auch.)

Ist Mose nicht ein Spezialfall und mein Verhältnis zu Gott anders?

Natürlich sollte man die eigene Berufung als individuell und nicht durch Vergleichen als defizitär betrachten. Gleichzeitig darf man wohl schon sagen, dass Mose als Beter in der obersten Liga spielte. Allerdings glaube ich NICHT, dass Gott den Menschen ‚darunter‘ von vornherein weniger begegnen möchte. Vielmehr hat er mit Mose die Möglichkeit vor Augen geführt, dass wir alle uns nach MEHR ausstrecken dürfen! Ja – sogar Jesus hat uns seine Idealbeziehung zum himmlischen Vater so offenbart, dass wir ihn darin nachahmen (und nicht nur bewundern) dürfen: So wie Jesus seine Passion zur göttlichen Ehre betend durchstehen konnte, so ringen sich verfolgte Gläubige bis heute im Gebetskampf durch und folgen Jesus ergeben nach seinem Vorbild in ihr Martyrium.

Wie Mose betete Jesus auf dem Berg und wie Gott kommt er zu den Seinen, wenn er ihre Mühe mit dem Rudern sieht und sie bei starkem Gegenwind seinen Beistand brauchen (s. Mk 6,45-51; vgl. Mt 14,22-33 u. Joh 6,16-21): „Ich bin es doch, fürchtet euch nicht!“ Wogegen ruderst DU gerade an? Vielleicht (1) möchte dich Jesus gerade von seinem „Ich bin (mit dir).“ und dem ebenfalls starken Rückenwind seines Geistes überzeugen. Vielleicht (2) möchtest du Gott davon überzeugen, dass du dich mit weniger als dem von ihm versprochenen Erreichen des Landes nicht zufrieden geben wirst. In jedem Fall bete ich, dass du wie Mose eine zunehmende Verringerung des Höhenunterschiedes zwischen Himmel und Erde erleben darfst!

Youtube-Favoriten zum Buch Exodus

Das Bibel Projekt zeichnet im Vollsinn des Wortes die Geschichte nach – untergliedert in einen Teil 1 (5 min) und einen Teil 2 (5 min). Sommers Weltliteratur to go wiederum spielt das Ganze nach – mit Playmobil-Figuren und humoristischem Unterhaltungswert (10 min):

Das war ein Blogartikel im Rahmen meines eigenen Projektes 8etappen.net und ich hoffe, er hat Lust darauf gemacht, auch selbständig auf biblische Entdeckungsreise zu gehen! Fange doch auch mit Etappe 1 an und folge mir in deinem eigenen Tempo! Ich selbst lese die Bibel gerade nach meinem Vertiefungsleseplan In 5 Etappen durch die Bibel und werde so in ein paar Wochen einen kurzen Artikel zum Markusevangelium schreiben sowie hier veröffentlichen. Deine Bemerkungen zum Buch Exodus würden mich übrigens auch sehr interessieren – Kommentieren ist also höchst erwünscht!!

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