Nachbarschaft: 1x Streit im Buch Obadja

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Leider ist es keine Seltenheit: Die auf der einen Seite des Gartenzauns fühlen sich besser, wenn es denen auf der anderen schlechter geht – und umgekehrt. Der Prophet Obadja gibt Einblick in so einen Fall – nämlich in das zickige Verhältnis zwischen Juda und dem benachbarten Volk Edom. Dabei waren beide gerade mal Zwerge gegenüber Riesen wie Assyrien oder Babylon. Sie hätten also besser freundschaftlichen Zusammenhalt gepflegt! Stattdessen erwies sich ihr gegenseitiges Verhalten in der gemeinsamen Geschichte immer wieder neu als feindselig.

Plus 1: Noch ein Eindringling!

Als sich im 6. Jh. v. Chr. das babylonische Heer an die Eroberung Jerusalems machte, hätte Juda dringend Verbündete bei der Verteidigung gebraucht. Aber Edom schlug sich auf die angreifende Seite, um aus dieser Situation auch etwas für sich herauszuholen. Hier die Empörung darüber im Originalton:

Weidet euch nicht am Unglück eurer Brüder! Seht nicht schadenfroh ihrem Untergang zu! Spottet nicht über ihre Qualen! Nutzt ihre Niederlage nicht aus, dringt nicht auch noch in die eroberte Stadt ein! Wenigstens ihr solltet euch nicht an den Leiden der Leute von Juda ergötzen, euch nicht an ihrem Eigentum vergreifen, nachdem dieser entsetzliche Unglückstag über sie hereingebrochen ist, ein Tag des Untergangs und der Verzweiflung.

Ja – so einen Tag wird es für Edom und überhaupt die fremden Völker erst recht geben! Und am Ende wird Juda das von jenen geraubte Land wieder in Besitz nehmen. Die weiteren Verse gleich nach dem obigen Zitat machen es klar: Obadja prophezeit eine Umkehrung zugunsten der aus Jerusalem Weggeführten, deren Gott so seine Herrschaft antreten wird. Wer zuletzt lacht…

Wie unsympathisch ist denn ein Richter-Gott und noch dazu ein parteiischer?

Wir in Europa können es vielleicht noch mit Gerechtigkeit zusammenbringen, wenn es wie bei Nahum eine klar schwächere Seite gibt und für diese Partei ergriffen wird. Man würde dann vielleicht eher von einem Anwalt-Gott gegenüber den Starken sprechen. Doch wer ist das Opfer bei Obadja? In dieser Momentaufnahme ist es Juda, aber grundsätzlich kann auch Edom sich zu Recht so sehen. Und was ist mit Gott? Zuerst rächt er sich an seinem Volk und dann wieder für sein Volk. Mit der statischen Justiz im griechisch-römischen Sinn hat das jedenfalls nichts mehr gemeinsam. Und genau hier liegt das Problem.

Für die Bibel kann nur ein dynamischer, leidenschaftlicher Gott wirklich gerecht sein. Wenn er über Unrecht wütend ist, wird das als hilfreich und nicht als störend empfunden! Gleichgültigkeit ist keine göttliche Eigenschaft und sollte auch von uns Menschen nicht angestrebt werden. Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied: Wir dürfen nicht selbst Rache nehmen! In den biblischen Prophetien (und Psalmen) wird darum nur ausgesprochen, was dann der Herr richten soll. Ja – von hier führt der Weg letztlich sogar bis zur Feindesliebe, die Jesus unübertrefflich vorgelebt und auch Paulus einzigartig beschrieben hat (s. Röm 12,14-21). Der Glaube an einen barmherzigen, guten Gott der Liebe und das Vertrauen in ein göttliches Gericht widersprechen sich also gerade nicht – im Gegenteil! Beides hilft hoffentlich auch DIR, falls du dich gerade in einem Nachbarschaftsstreit befindest – oder falls du das bisher einfach nicht zusammengekriegt hast und jetzt dein Moment für ein vollständigeres Gottesbild gekommen ist.

Web-Empfehlungen zum Buch Obadja

Auf bibelwissenschaft.de findet man einen hilfreichen Überblick. Das Bibel Projekt bietet auf Youtube ebenfalls eine Zusammenfassung, die grafisch besonders nett aufbereitet ist – und zwar hier (5 min). Und von Worthaus gibt es einen hervorragenden Videovortrag, der beim grundsätzlichen Verstehen der biblischen Vorstellung von Gerechtigkeit hilft (68 min):

Dies war ein Blogartikel im Rahmen meines eigenen Projektes 8etappen.net und ich hoffe, er hat Lust darauf gemacht, auch selbständig auf Bibel-Entdeckungsreise zu gehen! Fange doch auch mit Etappe 1 an und folge mir in deinem eigenen Tempo! Ich fahre inzwischen mit Etappe 7 fort und werde so nächsten Monat einen kurzen Artikel zum Buch Amos schreiben sowie hier veröffentlichen. Deine Bemerkungen zum Buch Obadja würden mich übrigens auch sehr interessieren – Kommentieren ist also höchst erwünscht!!

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