Jerusalem: 3x Herzstück in den Psalmen

Wer sich bei Sonnenaufgang ins Auto setzt und durchfährt, schafft es bis zum Sonnenuntergang nach Afrika – oder bis zum nächsten Sonnenaufgang nach Europa: Wenn man in der Stadt Jerusalem mal keinen Bock mehr auf Asien hat, kann der Kontinent sogar auf dem Landweg ziemlich schnell gewechselt werden. Schon in der Antike war diese spezielle, insbesondere in Bezug auf die damals bekannte Geografie zentrale Lage von strategischer Bedeutung. Einfach willkürlich ist es also nicht, den Nabel der Welt in Jerusalem zu sehen. Und es ist darum wohl auch nicht einfach Zufall, dass dort einmal der vom wahren Gott autorisierte Tempel stand. So erzählt es uns jedenfalls die Bibel und es wird verständlich, wie unaufgebbar und unaustauschbar dieser Mittelpunkt für die jüdische Glaubensgemeinschaft war. Ein Wiederaufbau nach der Zerstörung auf irgendeinem anderen Berg als dem Zion? Undenkbar! Auch die Psalmen drehen sich ja ganz stark darum – explizit oder implizit. Dabei werden Jerusalem folgende drei Eigenschaften immer wieder zugeschrieben.

1. Ort des Segens

Frisches Wasser strömt durch die Gottesstadt, in der die heilige Wohnung des Höchsten ist.

Fruchtbarkeit und Leben sowie Hilfe und Schutz wurden in Jerusalem erwartet, weil Gott dort wohnt – davon ist auch Psalm 46 überzeugt. Interessant ist, dass die Stadt eigentlich eher von Trockenheit geprägt ist. Der beschriebene Strom aus Segen steht also in einem starken Kontrast zu drohender Dürre, aber auch zu anderer Gefährdung durch die Natur – oder durch den Menschen. Der Herr bringt Erfrischung, sogar schon nur auf dem Weg zum Zion erfuhr man sie und sie mündete in (Familien-)Glück und Frieden (s. Ps 133,3; 84,6-8; 128,5-6).

2. Ort der Gerechtigkeit

In Jerusalem ist das höchste Gericht, dort regiert das Königshaus Davids.

Glück und Frieden für die Stadt und alle, die sie lieben – auch in Ps 122 wird das gewünscht und mit Sicherheit und Wohlstand sowie Freiheit von Sorge ausbuchstabiert. Dabei ist von Bedeutung, dass der Tempel in Nachbarschaft zum königlichen Palast stand. Gottes Weltordnung wurde konkret von der davidischen Dynastie durchgesetzt. Regieren bedeutete dabei auch Richten, um Gerechtigkeit für geschädigte Untertanen wiederherzustellen. Auf den Zion kam also besser nur, wer kein Unrecht und kein Unheil stiftete, sondern sich um das Rechte und die Wahrheit sowie um Unschuld und Reinheit bemühte (s. Ps 5,5-8; 15,2-5; 24,4).

3. Ort des Dankes

Legt Gelübde ab und löst sie ein vor dem Herrn, eurem Gott! Ihr Völker, die ihr rings um ihn wohnt, bringt dem gewaltigen Gott Geschenke!

Nachdem Gott sich erfolgreich als Richter über die Unterdrücker erwiesen hatte, wurden ihm Lieder gesungen – Psalm 76 beispielsweise. Und nicht nur in Jerusalem, sondern sogar auch weit darum herum sollte der Herr die ihm geschuldete Anerkennung bekommen. Ausdruck solcher Verehrung war, dass man etwas gelobte und die Einlösung dieses Versprechens dann auf dem Zion auch erfüllte. Für die Menschen der Stadt war das Dank – z.B. in Form einer Opfergabe, die sie mit freudigem Jubel und rühmendem Lobpreis darbrachten (s. Ps 116,12-19; 14,7/53,7; 9,12-15).

Geht es hier nicht um eine nationalistische Ideologie, die man hinterfragen sollte?

Das hier ist kein Plädoyer für irgendeine zionistische Agenda, nein. Eine Petition, die Jerusalem als anzustrebende Hauptstadt für den modernen Staat Israel vereinnahmen möchte, unterschreibe ich nicht! Von solchen machtpolitischen Phantasien distanzierte sich nämlich auch Jesus: Für ihn war die Stadt ein Ort des Ausgeliefertseins – auch wenn das trotz Ankündigung (s. Mt 20,17-19; Mk 10,32-34; Lk 18,31-33) sogar diejenigen in seinem engsten Kreis nicht verstehen konnten. Auf den ausgelieferten Menschensohn wartete allerdings nicht nur der Tod, sondern auch die Auferweckung! Und dieses neue Leben ist eine Hoffnung, die alle Menschen in Jerusalem haben dürfen.

Auch andernorts konnten und können Ausgelieferte so hoffen – bis heute. Wo wurde oder wird vielleicht mit dir Spott oder Schlimmeres getrieben? Jesus kennt ebenfalls den Weg durch dein persönliches Jerusalem. Du brauchst ihn also nicht alleine zu gehen. Er sieht bereits (1) die Erfrischung, nach der du dich so dringend sehnst! Mit ihm an deiner Seite hat (2) die göttliche Wiederherstellung schon jetzt begonnen – egal wie irreparabel der Schaden aus menschlicher Sicht sein mag. Ja, im Voraus bringt er dir (3) das Lied bei, das du am Ende einmal singen wirst. Ich bete, dass du gerade in diesem Moment seine Begleitung erkennen und seine Nähe spüren kannst.

Psalmvertonungen auf Youtube

Das englischsprachige Projekt The Shiyr Poets hat zwei aufeinanderfolgende Nummern toll interpretiert – nämlich Psalm 14 (identisch mit Psalm 53) und Psalm 15. Besonders viele Versionen gibt es von Psalm 84 – hier ein aktuelleres Beispiel dafür von NCC Worship (wieder in englischer Sprache), das eine schöne Wohnzimmer-Atmosphäre transportiert:

Dies war ein Blogartikel im Rahmen meines eigenen Projektes 8etappen.net und ich hoffe, er hat Lust darauf gemacht, auch selbständig auf Bibel-Entdeckungsreise zu gehen! Fange doch auch mit Etappe 1 an und folge mir in deinem eigenen Tempo! Ich nehme nun als Nächstes Etappe 6 in Angriff und werde so nächsten Monat einen kurzen Artikel zum Jakobusbrief schreiben sowie hier veröffentlichen. Deine Bemerkungen zu den Herzstück-Psalmen würden mich übrigens auch sehr interessieren – Kommentieren ist also höchst erwünscht!!

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