Schreckensnachrichten werden auch Hiobsbotschaften genannt, weil genau damit die Geschichte eines Mannes mit dem Namen Hiob oder Ijob beginnt: Dem zehnfachen Vater und Besitzer vieler Tiere wird an einem einzigen Tag gemeldet, dass – Schlag auf Schlag – sein Vieh entweder gestohlen oder tot ist und dass ein Hauseinsturz alle seine Kinder erschlagen hat. Ihm fehlt dabei der Einblick in die himmlische Ratsversammlung, wo eine Wette zwischen Gott und dem Satan läuft. Es soll nämlich getestet werden, ob der fromme (obwohl nichtjüdische!) Hiob nach einer solchen Verlusterfahrung nicht auch den Herrn verfluchen würde. Dies bleibt jedoch aus – sogar noch dann, als den leidgeprüften Mann zusätzlich schmerzhafte Geschwüre am ganzen Körper bedecken. Stattdessen kommt es zu einer irdischen Ratsversammlung über den Tun-Ergehen-Zusammenhang und damit zu einer sehr trostlosen Angelegenheit. Hiob kriegt von seinen Freunden nämlich keine aufrichtenden, sondern vielmehr belehrende Worte zu hören. Und so kann nur er für sich alleine neuen Halt finden. Sein Weg wird dabei durch folgende drei Stationen markiert.
1. Trost im Feiern des Lebensbeginns?
Eines der voraussetzungslosesten Feste im Jahr ist der eigene Geburtstag. Im Vergleich dazu geht es etwa beim Hochzeitstag um eine Wahl, zu der es vielleicht auch eine bessere Alternative gegeben hätte. Die eigene Existenz ist hingegen nicht selbst gewählt und also eigentlich auch nicht zu bereuen. Trotzdem beginnt der klagende Hiob in Kapitel 3 mit dem Wunsch, dass Gott den wiederkehrenden Kalendertag seiner Geburt (und auch derjenige seiner Zeugung) löschen soll:
Offenbar wäre es aus Hiobs Sicht besser, wenn er das Leben gar nicht erst empfangen hätte. Die Erinnerung daran ist kein Grund mehr, fröhlich zu sein. Der gequälte Mann löst sich vom Diesseits, das für ihn genauso hoffnungslos geworden ist wie das Jenseits (Kapitel 14). Ist es im Licht des Schöpfers wirklich besser als in der Finsternis des Todes? Hiob hat nichts mehr zu verlieren und wagt es also, Gott auf diese Weise zu provozieren.
2. Trost im Auswerten des Lebenslaufs?
„Wo ist der Vater?“ – das ist die erhellende Bedeutung, die im Namen „Hiob“ steckt. Wo ist derjenige, der für Recht sorgt? Wo ist derjenige, der sich der Leidenden annimmt? Diese Frage kann man sowohl verzweifelt an Gott als auch kritisch an sich selbst richten. Hiob gerät mit seinem Leben dabei nicht in Verlegenheit. In Kapitel 29 kann er auf eine Fülle von sozialen Taten hinweisen, für die er in der Vergangenheit gelobt wurde:
Hiob war also genau das, was Gott jetzt für ihn sein sollte! Aber scheinbar hat es ihm nun am Ende gegenüber einem bösen Menschen keinen Vorteil gebracht (Kapitel 21). Das darf doch nicht sein! Kann denn ein irdischer Vater gerechter sein als der himmlische? Für Hiob ist Gott schuldig geworden – zumindest eine Antwort. Den dabeistehenden Elihu macht eine solche Anspruchshaltung allerdings zornig – genauso wie das Unvermögen der anderen Gesprächspartner, Hiob eine Schuld nachzuweisen (Kapitel 32). Ja, wirklich losgelöst von der gerichtlichen Begriffswelt will hier keiner der Beteiligten denken. Auch Hiob hält die Weisheit einerseits zwar für begrenzt zugänglich und setzt sie andererseits aber mit der klaren Einsicht gleich, dass alles Unrecht zu meiden ist (Kapitel 28).
3. Trost in der Begegnung mit Gott!
Am Ende der Geschichte geht die Vergeltungstheorie tatsächlich doch noch auf, indem für Hiob alles wieder gut wird – ja, sogar noch besser als vorher. Trotzdem ist es nicht erst die Verdoppelung seines Besitzes im Vergleich zum Viehbestand vor dem Verlust oder die Geburt neuer Söhne und Töchter, wodurch sich alles wieder entspannt. Schon weiter oben in Kapitel 42 wirkt Hiob mit seinen letzten Worten an Gott durchaus erleichtert:
Der dort oben hat geantwortet! Und diese Antwort beginnt nicht einfach mit der Bestätigung von Hiobs Unschuld, sondern zuerst mit einer Vielzahl von Fragen (Kapitel 38). Dabei wird deutlich, dass der göttliche Plan für Hiob schlicht nicht zu verstehen ist. Eine Erklärung gibt es also gerade nicht, aber der verdutzte Mann verlangt sie auch nicht länger. Von diesem Holzweg hat er sich lösen können und seinen Frieden vielmehr einfach dadurch gefunden, dass Gott sich ihm gezeigt hat.
Also eine solche Auflösung gefällt mir gar nicht – ist das nicht zu billig?
Ja, es wäre doch zu schön – Hiob als Garantie für alle unschuldig Leidenden, dass Gott ihnen noch vor ihrem Tod begegnen und noch diesseitig Recht schaffen wird. Letzterem zumindest würde ich aus eigener Beobachtung auf jeden Fall widersprechen. Wie viel überzeugender ist da für mich die Perspektive, die Jesus vermittelt: Ja, reichen Lohn gibt es für die Armen, Beschimpften usw. (s. Lk 6,20-26 u. Mt 5,2-12) – aber anders als im Fall Hiob! Gott steht dafür nämlich nicht nur diese Welt, sondern auch eine neue zur Verfügung. Dort werden die Verhältnisse umgekehrt – und in der Lerngemeinschaft der Jesus-Schule kann das schon vorweggenommen werden!
Nichtsdestotrotz kann uns beim Umlernen auch das Beispiel Hiob helfen. Vielleicht ist es bei dir ja gerade an der Zeit, dass du etwas loslassen solltest: Hast du dich in letzter Zeit zu fest (1) an eine innerweltliche Hoffnung geklammert? Kreisen deine Gedanken und Worte seit längerem um das Thema, (2) wer im Recht ist und wer in der Schuld steht? Hängst du an einem Gott aus zweiter Hand, (3) mit dem du bisher alles erklären konntest? Ich möchte dich zu entsprechenden Befreiungs- und Wachstumsschritten ermutigen – ja, gerade wenn dich bereits die Vorstellung davon mit Ohnmachtsgefühlen erfüllt. Rechne mit dem Gott der Auferstehungskraft! Sobald der nämlich auftaucht, ist plötzlich wieder alles möglich…
Web-Favoriten zum Buch Hiob
Auf bibelwissenschaft.de findet man einen hilfreichen Überblick. Das Bibel Projekt bietet auf Youtube ebenfalls eine Zusammenfassung, die grafisch besonders nett aufbereitet ist – und zwar hier (11 min). Besonders eindrücklich finde ich zudem folgendes Video von Bibel TV, in dem eine Jüdin zu Hiob interviewt wird (27 min):
Dies war ein Blogartikel im Rahmen meines eigenen Projektes 8etappen.net und ich hoffe, er hat Lust darauf gemacht, auch selbständig auf Bibel-Entdeckungsreise zu gehen! Fange doch auch mit Etappe 1 an und folge mir in deinem eigenen Tempo! Ich fahre inzwischen mit Etappe 6 fort und werde so in einigen Tagen einen kurzen Artikel zum Buch Kohelet / Prediger (Salomo) schreiben sowie hier veröffentlichen. Deine Bemerkungen zum Buch Hiob würden mich übrigens auch sehr interessieren – Kommentieren ist also höchst erwünscht!!