Was wäre der biblische Glaube ohne Gottesdienste? Und was wäre ein Gottesdienst ohne musikalische Elemente? Etwas ist da wohl ziemlich entgleist, wenn Amos so Selbstverständliches in Frage stellt. Die Kritik des Propheten richtet sich nämlich gegen die korrupten und ausbeuterischen Stadtmenschen von Samaria. Dabei besteht deren Unrecht nicht nur darin, dass sie sich selbst gegenüber dem Landvolk überheben und auf verbrecherische Weise zu ihrem Reichtum gekommen sind. Es kommt vielmehr noch hinzu, dass sie das alles für vereinbar mit ihrer Religion halten! Doch Gott macht entgegen dieser falschen Sicherheit eine knallharte Ansage: Untergang und Zerstörung kommen unabwendbar auf Samaria zu!
Sorge Nr. 1: Lieder?
Amos sorgt für eine Premiere, indem er bereits in der ersten Hälfte des 8. Jh. v. Chr. von Verbannung spricht. Das Erstarken Assyriens hat noch überhaupt nicht dazu geführt, dass den Leuten in Samaria nicht mehr nach Feiern zumute wäre. Während also unbekümmert ein religiöses Fest nach dem anderen begangen wird, sieht ein erster Prophet schon ein paar Jahrzehnte weiter und vermiest die Stimmung gründlich. Durch ihn haut Gott ordentlich auf den Tisch – wie hier in Kapitel 5 beispielsweise:
Recht – dieser Begriff steht für den Schutz von Gemeinschaft: Werden die rechtlichen Grundsätze in der Bibel gebrochen, schwächt das sowohl die Beziehungen der Menschen untereinander als auch die Beziehung der Menschen zu Gott. Wer diesen also anbeten will, sollte das gesamte Miteinander im Blick haben und stärken wollen. Musik ist eine Ausdrucksform, die dazu wunderbar beitragen kann – sei es explizit im gottesdienstlichen Rahmen, sei es auf einem Jazz-Festival oder bei einem Wohnzimmer-Konzert. Je weniger die Klänge hingegen mit einer sozialethischen Gesinnung einhergehen, desto mehr verkommen sie dann tatsächlich zu unnötigem Lärm.
Gibt es nicht auch den umgekehrten Fall – Ethik ohne Ästhetik?
Richtig! Man könnte mit dem Amos-Zitat so argumentieren: Nur auf die Gerechtigkeit kommt es an; Lieder können dazu kommen – oder auch nicht. Diese Interpretation wäre aber falsch und unbiblisch. Musik ist genauso wenig optional wie Minderheitenschutz. Der Einsatz in der Kunst ist genauso relevant wie der Einsatz im Krisengebiet. Wer die Bibel nur mit der Brille der Moral liest, verkennt ihre ganzheitliche Weite – auch bei anderen Sinnesfreuden wie z.B. der Erotik. Spielen wir also keines der beiden Anliegen gegen das andere aus!
Auch Jesus ist einerseits mit seinen Heilungen sowie anderen Zeichen und Wundern zweifellos als jemand aufgefallen, durch den die Notleidenden ernsthafte Barmherzigkeit erfuhren. Andererseits hat er einfach so mal Wasser zu bestem Wein verwandelt, damit das Trinkvergnügen von bereits reichlich abgefüllten Hochzeitsgästen noch in eine besonders verschwenderische Verlängerung gehen konnte (s. Joh 2,1-12). Also darfst auch DU unbeschwert mit Glückspilzen rund um den Globus feiern, ohne ständig Amos zu zitieren. Bei einer anderen Gelegenheit übst du Solidarität mit Pechvögeln auf diesem Planeten, auch wenn es keinen lustvollen Nebeneffekt für dich hat. Und im Idealfall kannst du sogar das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Ja – ich bete, dass du das in deinem Leben von Tag zu Tag immer mehr zusammenbringen kannst!
Links zum Buch Amos
Von den Podcast-Serien des Projekts bibletunes gibt es die entsprechende hier zum Herunterladen (je 5-10 min; komplett gesprochener Text + kurzer Impuls). Einen Gesamtüberblick kriegt man, wenn man auf bibelwissenschaft.de den entsprechenden Bibelkunde-Artikel liest oder von Das Bibel Projekt den entsprechenden Youtube-Clip schaut (unter 8 min). Worthaus bietet Videovorträge für Leute, die es ausführlicher wollen – über das gesamte Buch (95 min) und sogar über einzelne Texte wie die Visionen (117 min) sowie den Beginn der Gerichtsworte (90 min). Und mit Common Hymnal möchte ich hier noch ein englischsprachiges Songwriter-Kollektiv vorstellen, welches sich das Anliegen des Amos sehr zu Herzen genommen hat – z.B. in folgendem Lied:
Dies war ein Blogartikel im Rahmen meines eigenen Projektes 8etappen.net und ich hoffe, er hat Lust darauf gemacht, auch selbständig auf Bibel-Entdeckungsreise zu gehen! Fange doch auch mit Etappe 1 an und folge mir in deinem eigenen Tempo! Ich fahre inzwischen mit Etappe 7 fort und werde so nächsten Monat einen kurzen Artikel zum Buch Hosea schreiben sowie hier veröffentlichen. Deine Bemerkungen zum Buch Amos würden mich übrigens auch sehr interessieren – Kommentieren ist also höchst erwünscht!!