Glaube: 1x Bekenntnis im Philipperbrief

Wenn Entzweiungen in einer Gruppe drohen, ist es höchste Zeit für die Erinnerung an das Einende. Das dachte sich wohl auch Paulus, als er seinen Brief an die Gemeinde in Philippi schrieb. Dabei lief es dort eigentlich ziemlich gut – aber man sollte ja auch nicht erst warten, bis die Gräben so richtig tief geworden sind. Was also eint Menschen, die alle irgendwie an Jesus glauben? Dumme Frage – Jesus natürlich! Allerdings kann man Unterschiedliches hervorheben, was an Jesus das Besondere und Entscheidende ist. Für Paulus darf die Wahl, wo die Betonung liegt, freilich nicht beliebig ausfallen. In der Mitte seines Schreibens finden wir deshalb eine eindrucksvolle Dichtung, zu der es wahrscheinlich auch mal eine Melodie gab – ein so genanntes Christuslied, welches das Wesentliche vor allen weiteren Überzeugungen bekennt. Und bis heute tun wir gut daran, diese zentralen Worte zu bewahren und ernst zu nehmen. 

Entdeckung Nr. 1: Der Gekreuzigte ist es!

Schon im einleitenden Satz von Phil 2,5-11 steckt eine umstrittene Behauptung, über die man wohl nur noch innerhalb des Judentums nicht einfach hinweg liest: Jesus ist der Christus, also der Messias. Der Widerspruch oder die Zustimmung zu diesem Satz entschied damals nämlich darüber, ob man sich auf der rabbinisch-jüdischen Seite positionierte oder auf der messianisch-jüdischen. (Letztere ging dann im Christentum auf.) Im bündelnden Vers 11 wird Jesus allerdings nicht nur als Christus bezeichnet, sondern noch zusätzlich als Herr (griechisch: Kyrios)! Paulus hatte als Jude natürlich auf dem Schirm, dass dieser Titel stellvertretend für nichts weniger als den hebräischen Gottesnamen “J(a)hw(e)h” verwendet wurde. Und als Bürger im Römischen Reich war Paulus ebenfalls informiert darüber, dass auch der Kaiser so genannt wurde. Sogar über das Judentum hinaus wurde hier der daraus resultierende Konflikt also nicht gescheut. Und so wird uns ziemlich frech ein Jesus mit göttlichem und kaiserlichem Anspruch präsentiert – erhöht über alle im Himmel sowie auf und unter der Erde (V. 9-10).

Die Rede von Erhöhung ist vor allem darum eine Frechheit, weil über Jesus gerade das Gegenteil bekannt war – seine Erniedrigung! Aber das wird hier nicht etwa vertuscht, sondern in V. 8 zur erforderlichen Voraussetzung erklärt: Jesus ist in seinem Gehorsam dadurch am weitesten und tiefsten gegangen, „dass er sogar den Tod auf sich nahm, ja, den Verbrechertod am Kreuz.“ Menschen gieren danach, wie Gott zu sein; der Gott aber wirklich Gleiche ist einer, der alle seine Vorrechte aufgegeben hat und einem Sklaven gleich geworden ist (V. 6-7). Hier finden wir das Erkennungsmerkmal wahren Liebens – sich selbst so zu erniedrigen und sein eigenes Leben so hinzugeben wie Jesus. Die selbstlose und uneitle Gesinnung, die darauf (und also nicht auf den eigenen Vorteil) zielt, ist für den Apostel Paulus darum auch das Unverhandelbare im Hinblick auf die Einheit unter den Glaubenden.

Wäre ein Jesus ohne Kreuz nicht mehrheitsfähiger?

Von ganz oben nach ganz unten und zurück – wer Extreme mag, wird hier bestens bedient. Vielen wäre aber auch ein Mensch lieber, der mehr in der Mitte angesiedelt ist: „Göttlicher Rang ist doch unnötig; Jesus hätte auch einfach ein angesehener Arzt sein können. Bei der Behandlung tödlicher Krankheiten wäre er dann durch Ansteckung selber an einer gestorben; so etwas ist ja auch eindeutiger verehrenswert als ein Sklaventod.“ Ein solcher Jesus, der engagiert seine Pflicht tut, wäre zweifelsfrei für eine Mehrheit ein erreichbares Vorbild. Für das Neue Testament kommt aber zum Vorbildlichen an Jesus noch das Erlösende dazu: Aus dem Tod erlösen kann nach biblischem Verständnis nur Gott. Und dass dessen Invasion ins Reich der Toten über eine Kreuzigung erfolgte, sagt noch etwas Zusätzliches aus – nämlich eine besondere Einbeziehung von Opfern gesellschaftlicher Marginalisierung in dieses befreiende Geschehen. Darum findet man auch gerade Trost darin, wenn man zusammen mit einer Minderheit an Jesus glaubt. 

Dass der Glaube an einen Anti-Caesar aus Nazareth im 4. Jh. Staatsreligion des Römischen Reiches werden konnte, ist höchst erklärungsbedürftig. Zwar sollte man diese Überraschung nicht einseitig negativ (z.B. als ‚Sündenfall‘ der Kirche) deuten – genauso wenig wie einseitig positiv (z.B. als Ausnahmezustand einer ‚Erweckung‘). Aber im Sinne von Jesus (oder auch von Paulus) ist eine christliche Einheitsgesellschaft um jeden Preis auf jeden Fall nicht. Die Wahrheit ist: Gerade der Gekreuzigte hat durchaus die Kraft, einen Feind – z.B. seines Volkes (s. Mk 15,39; vgl. Mt 27,54 u. Lk 23,47) – zum Umdenken zu bringen. Er greift dafür aber niemals zu erpresserischen oder sonstigen unfairen Mitteln. Diejenigen, die ihn uneinsichtig verhöhnten, konnten das tun und wurden auch nach seiner Auferstehung nicht plötzlich doch noch gewaltsam zum Schweigen gebracht. Fällt es DIR leicht oder schwer, an den Mann am Kreuz zu glauben? Hast du das Bekenntnis zu ihm in deinem Umfeld vor allem als einend oder trennend erlebt? Ich bete, dass er dich ganz für seinen Weg gewinnt – sowohl nach unten als auch nach oben.

Web-Empfehlungen zum Philipperbrief

Von den Podcast-Serien des Projekts bibletunes gibt es die entsprechende hier zum Herunterladen (je 5-10 min; komplett gesprochener Text + kurzer Impuls). Auf bibelwissenschaft.de findet man wiederum einen hilfreichen Überblick. Das Bibel Projekt bietet auf Youtube ebenfalls eine Zusammenfassung, die grafisch besonders nett aufbereitet ist (9 min). Und wer seine Erkundung des Briefes mit einem weiteren Text daraus abrunden will, bekommt in folgendem (Werbe-)Clip von Gerth Medien noch einmal ein paar schöne Verse vorgelesen (2 min):

Dies war ein Blogartikel im Rahmen meines eigenen Projektes 8etappen.net und ich hoffe, er hat Lust darauf gemacht, auch selbständig auf Bibel-Entdeckungsreise zu gehen! Fange doch auch mit Etappe 1 an und folge mir in deinem eigenen Tempo! Ich fahre nun mit Etappe 8 fort und werde so demnächst einen kurzen Artikel zum Kolosserbrief schreiben sowie hier veröffentlichen. Deine Bemerkungen zum Philipperbrief würden mich übrigens auch sehr interessieren – Kommentieren ist also höchst erwünscht!!

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