Geheimnis: 1x Verborgenes im Kolosserbrief

Für spirituell Suchende kann der Besuch einer Kirche einerseits sehr spannend, andererseits auch sehr enttäuschend sein: “Ich habe nichts Göttliches wahrgenommen. Die haben ihr Bestes getan, um Jesus vor mir zu verstecken – wenn er überhaupt da war!“ Enttäuschungen wie diese hat es schon immer gegeben – wohl auch in der antiken Stadt Kolossä/Kolossae/Kolossai. Ein an die dortige Gemeinde adressierter Brief ist uns durch die Bibel überliefert. In der Wissenschaft wird darüber gestritten, inwiefern Paulus hinter diesem Schreiben mit teilweise sehr speziellem Vokabular steht: Ist es wirklich ein persönliches Werk von ihm und seinem Mitarbeiter Timotheus? Oder hat in deren Namen irgendeine ‚Schule‘ an die paulinische Theologie angeknüpft? Wie auch immer – die sprachlichen Auffälligkeiten sind hier nicht das einzige Geheimnisvolle. Wer gerne rätselt, findet dazu nämlich ebenfalls inhaltliche Anregung.

Ausrichtung 1: Nach OBEN!

Viel Raum nimmt die Spannung zwischen altem und neuem Leben ein, die in Kol 3,1-4 mit wenigen Worten auf den Punkt gebracht ist: Mit dem alten Leben sei man eigentlich schon gestorben und das neue Leben habe bereits angefangen, aber das sei noch „verborgen“ (Vers 3) – und zwar so lange, bis es in Herrlichkeit mit Christus „sichtbar“ (V. 4) werde. Entsprechend sei den irdischen Dingen nicht mehr zu erlauben, dass diese die Gedanken zuerst auf sich lenken (V. 2). Vielmehr gelte es nun, sich an Christus zu orientieren – an der rechten Seite Gottes (V. 1).

Dass Verborgenheit bei einem neuen Leben nichts Ungewöhnliches ist, macht der Vergleich mit einer Schwangerschaft leicht verständlich: So wie Kinder von menschlichen Eltern erst am Tag ihrer Geburt wirklich sichtbar werden, so werden auch Kinder Gottes erst am Tag ihrer Auferstehung wirklich sichtbar! Das Spannende am Leben (bzw. Sterben) mit Jesus Christus besteht also darin, dass man sich irgendwo zwischen geistlich empfangen und geistlich geboren befindet. Das ist es, was jeder Mensch gegenwärtig (gerade auch beim Kirchenbesuch) erwarten kann – leider nicht mehr, aber immerhin auch nicht weniger! Zu den ersten Entwicklungsschritten gehörte für Paulus z.B. ganz klar, dass es kein Zurück zu sozialer Abgrenzung mehr geben durfte.

Ist die 2000-jährige Wirkungsgeschichte da nicht einfach nur traurig?

Die irdischen Dinge halten sich hartnäckig, ja. Eigentlich sollten gerade christliche Gottesdienste besonders frei von Diskriminierung sein. Eigentlich sollte gerade christliche Gemeinschaft der barmherzigste Ort der Welt sein. Aber bis heute ist leider noch sehr oft das Gegenteil der Fall. Unbefolgt bleibt der Aufruf, sich gedanklich nach oben auszurichten und am Auferweckten zur Rechten Gottes orientiert zu sein. Wie bei Nikodemus fehlt letztlich doch die Sicht für Gottes neue Welt, in die man nur „von oben her geboren“ hineinkommt (s. Joh 3,1-12).

Der Blick auf die endlose Geschichte des Nicht-Hörens und Nicht-Glaubens kann tatsächlich viel Traurigkeit erzeugen. Und dennoch gibt es – erfreulicherweise – auch die andere Seite: Unzählige Männer und Frauen haben sich daran beteiligt, gegen den Handel mit versklavten Menschen oder gegen die Verfolgung der jüdischen Gemeinde zu kämpfen – gerade weil sie vom Gekreuzigten motiviert waren. Wie Jesus haben sie sich ohne Angst vor den nachteiligen Folgen auf die Seite derer gestellt, die der Willkür ausgeliefert waren. Und es wäre nicht richtig, diese Leute als kaum vorkommende Einzelfälle zu betrachten oder als unerreichbar geniale Ausnahmen zu bewundern. Auch DU kannst dieses verborgene, neue Leben entdecken! Was vom zukünftigen Sichtbaren würdest du am liebsten gleich vorwegnehmen? Was vom bisherigen Alten möchtest du überwinden? Ich möchte dich ermutigen, das für dich persönlich auszubuchstabieren und noch heute damit zu beginnen!

Links zum Kolosserbrief

Es gäbe sowohl weiter vorne als auch weiter hinten noch andere Abschnitte, die sehr bemerkenswert sind und eine Vorstellung hier verdient hätten. Ich verbleibe jedoch mit dem Hinweis, wie man einen Überblick kriegen kann – nämlich durch den Bibelkunde-Artikel von bibelwissenschaft.de oder durch folgenden Youtube-Clip von Das Bibel Projekt (9 min):

Dies war ein Blogartikel im Rahmen meines eigenen Projektes 8etappen.net und ich hoffe, er hat Lust darauf gemacht, auch selbständig auf Bibel-Entdeckungsreise zu gehen! Fange doch auch mit Etappe 1 an und folge mir in deinem eigenen Tempo! Ich fahre inzwischen mit Etappe 8 fort und werde so demnächst einen kurzen Artikel zum Epheserbrief schreiben sowie hier veröffentlichen. Deine Bemerkungen zum Kolosserbrief würden mich übrigens auch sehr interessieren – Kommentieren ist also höchst erwünscht!!

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