Lied: 1x Komponiertes im Buch Habakuk

Urheberrechtlich spricht man dann von Bearbeitung, wenn ein Song erheblich (z.B. durch Übersetzung in eine andere Sprache) und nicht nur geringfügig (z.B. durch ein anderes Arrangement) verändert wird. Die hebräischen Lyrics, die uns in der Bibel überliefert sind, sind über die Jahrtausende teilweise wohl erstaunlich unverändert geblieben. Allerdings sind sie teilweise auch stark bearbeitet worden – wie z.B. beim Propheten Habakuk. Dessen letztes Kapitel besteht nämlich aus einem auf Saiteninstrumenten zu begleitenden Gebet. Und dieses beginnt mit einer Einleitung, bei der es offensichtlich Grund zur Umgestaltung gab.

Takt 1: Ich habe gehört…

Herr, von deinen Ruhmestaten habe ich gehört, sie erfüllen mich mit Schrecken und Staunen. Erneuere sie doch, jetzt, in unserer Zeit! Lass uns noch sehen, wie du eingreifst! Auch wenn du zornig bist – hab mit uns Erbarmen!

So lautet die Interpretation der Guten Nachricht Bibel – schön und gut verständlich. Habakuk singt, dass er vom Herrn gehört habe – diese ersten Worte sind noch relativ wörtlich wiedergegeben. Auch die Hoffnung auf „Erbarmen“ am Ende des Verses steht ziemlich genau so da. Dazwischen wird allerdings sehr frei übertragen. Und das Problem ist offenbar nicht die deutsche Sprache. Bereits bei der Übersetzung ins Griechische ab 250 v. Chr. ist offenbar ein längerer Text entstanden als in der Vorlage. Hier das Ergebnis – zitiert aus der Septuaginta Deutsch (2. Auflage, Stuttgart 2010):

Herr, gehört habe ich deine Kunde und ich bin in Furcht geraten, ich betrachtete deine Werke und ich bin betroffen. Inmitten zweier Lebewesen wirst du erkannt, in dem Nahen der Jahre wirst du wieder erkannt werden. In dem Dasein des rechten Augenblicks wirst du offenbar werden. In dem Aufgewühltsein meiner Seele im Zorn wirst du dich des Erbarmens erinnern.

Diese Variante hilft immerhin bei der Erklärung, warum die Jesus-Geburtskrippe traditionell zwischen Ochs und Esel dargestellt wird – obwohl man das im Neuen Testament vergeblich sucht. Die Erwähnung „zweier Lebewesen“ hier hat im Verlauf der Jahrhunderte n. Chr. tatsächlich Eingang in die Weihnachtsgeschichte gefunden. Der Vorgang, der hier insgesamt stattgefunden hat, ist aber ziemlich offensichtlich: Man war wohl unsicher darüber, wie das Hebräische richtig zu lesen und zu verstehen ist. Also hat man aus der Not eine Tugend gemacht und diese angereicherte Version kreiert, in welcher der ursprüngliche Sinn hoffentlich irgendwie mit enthalten war. Demgegenüber zeigt der Vergleich z.B. mit der Zürcher Bibel (Ausgabe 2007), wie man den Vers wirklich komplett wörtlich übersetzt:

HERR, ich habe deine Botschaft gehört, ich habe, HERR, um dein Werk gefürchtet. Lass es lebendig werden inmitten der Jahre, inmitten der Jahre mach es bekannt. Im Zorn denke an das Erbarmen.

Was da steht, entspricht nun also möglicherweise dem Originalvers – oder immer noch nicht: Das zweimalige „inmitten der Jahre“ findet man nur hier und sonst nirgendwo in der Bibel (auch nicht nur einmal). Es wäre also erhalten geblieben, obwohl das keine gängige Formulierung war. Es könnte aber auch ein Hinweis darauf sein, dass hier irgendein Unfall passiert ist und man ihn nicht mehr rückgängig machen kann. Mit Sicherheit kommt man auf jeden Fall nur bis hier und nicht weiter dahinter – so gerne man es rekonstruieren möchte. Wie auch immer – Habakuk hat vom Herrn gehört und darf hoffen. Soviel ist und bleibt klar. Etwas Wichtigeres könnte dazwischen sowieso nicht stehen. Erbarmen im Zorn – das ist die Hauptsache! 

Also für mich spricht das durchaus gegen die Bibel – für dich nicht?

Ich kann nachvollziehen, wenn man die (mündliche bzw.) schriftliche Überlieferung der biblischen Inhalte für zu sehr fehleranfällig und darum zu wenig vertrauenswürdig hält. Allerdings sind die wissenschaftlichen Methoden zur Erklärung von Abweichungen auch so raffiniert, dass die Rekonstruktion der biblischen Texte nach objektiven Kriterien sehr weitgehend gelungen ist. Bleibende Unsicherheiten betreffen nur noch Details, die wenig oder gar keinen Unterschied für die Gesamtbedeutung machen. Ein neutestamentliches Beispiel ist die Heilung am Teich Betesda (s. Joh 5,1-16): In manchen Handschriften steht dort eine Bemerkung über einen Wellen schlagenden Engel, in manchen nicht. Ziemlich sicher handelt es sich dabei um eine spätere Hinzufügung. Aber selbst wenn es nicht so wäre, würde es für die hauptsächliche Botschaft keine Rolle spielen. Auch hier geht es um (die mit Jesus endlich gekommene) Barmherzigkeit – Betesda bedeutet „Haus des Erbarmens“ – inmitten von Hartherzigkeit (bei der Auslegung des Sabbatgebots).

Fazit: Ob im Alten oder im Neuen Testament – trotz der Diversität von Kompositionen bilden die verschiedenen Stimmen EINEN Chor, der vom Gleichen singt. Alle haben von einem Gott gehört, der sich erbarmt! Dessen Zorn haben nur die Hartherzigen zu fürchten. Im Gegensatz dazu ist er barmherzig mit denen, die es auch sind und auf seine Zuwendung hoffen. Was würdest DU sagen, in welchem Zustand dein Herz gerade ist? Ich bete für Bearbeitung durch den Heiligen Geist, dass du im Innern – je nachdem, was du momentan brauchst – weich wirst bzw. bleibst. Und vielleicht fühlst du dich ja jetzt gleich inspiriert, wie Habakuk dein eigenes Lied (oder Gedicht) zu schreiben…

Online-Ressourcen zum Buch Habakuk

Natürlich gäbe es auch andere spannende Verse zu entdecken. Ich verbleibe nun aber mit dem Hinweis, wie man noch einmal einen Gesamtüberblick kriegen kann – nämlich durch den entsprechenden Bibelkunde-Artikel von bibelwissenschaft.de oder durch folgenden Youtube-Clip von Das Bibel Projekt (unter 7 min):

Dies war ein Blogartikel im Rahmen meines eigenen Projektes 8etappen.net und ich hoffe, er hat Lust darauf gemacht, auch selbständig auf Bibel-Entdeckungsreise zu gehen! Fange doch auch mit Etappe 1 an und folge mir in deinem eigenen Tempo! Ich fahre inzwischen mit Etappe 8 fort und werde so demnächst einen kurzen Artikel zum Buch Zefanja schreiben sowie hier veröffentlichen. Deine Bemerkungen zum Buch Habakuk würden mich übrigens auch sehr interessieren – Kommentieren ist also höchst erwünscht!!

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