Nicht hinterfragen, sondern einfach gehorchen – so verhält sich, wer die harte Hand eines Elternteils oder eines Staatsoberhaupts oder eines Gottes fürchtet. Und man hat bis heute nicht damit aufgehört, den Druck zu solcher Unterwürfigkeit auch noch mit der Bibel zu verstärken. Dabei übt diese so beharrlich Machtkritik wie sonst wohl keine Heilige Schrift. Und gerade das Kommen und Gehen fremder Herrschaftsansprüche ist wohl nirgends so anschaulich dokumentiert wie im Buch Daniel. Während etwa Hesekiel hauptsächlich die Sternstunde des babylonischen Reiches bezeugt, sind bei Daniel zusätzlich auch die medischen und persischen Herrscher sowie der Grieche Alexander (bzw. insbesondere einer seiner seleukidischen Nachfolger) im Blick.
Gott Nr. 1: Retter aus Nebukadnezzars Gewalt
Kapitel 3 ist ein schöner Beispieltext, der von der Standhaftigkeit dreier Juden erzählt und gleichzeitig viel Veränderung auf der politischen Karte zu erkennen gibt – schon allein sprachlich: Zwar hat sich auch hier wie überall im Alten Testament die hebräische Quadratschrift durchgesetzt, aber die Sprache dahinter ist in diesem Teil des Danielbuchs ausnahmsweise aramäisch! In Damaskus wurde so ursprünglich gesprochen, dann aber auch immer mehr überregional – also z.B. auch in Babylon oder sogar in Susa (eine Residenzstadt des persischen Königs). In den Versen 5, 10 und 15 bleibt es allerdings nicht einfach beim Aramäischen – es werden nämlich drei der sechs dort genannten Musikinstrumente bereits mit Lehnwörtern aus dem Griechischen bezeichnet!
Fazit: Drei mit nicht-hebräischen Namen genannte Juden missachten den aramäischen Befehl, beim Klang von unter anderem griechischen Instrumenten ein babylonisches Standbild anzubeten! Zur Strafe werden sie in einen glühenden Ofen geworfen, aber zum Erschrecken von König Nebukadnezzar können ihnen die Flammen nichts anhaben. Und so ruft dieser sie wieder heraus und anerkennt sie als „Diener des höchsten Gottes“ (V. 26). Kein anderer kann aus solch einer Lage retten (V. 29) – was für eine Erniedrigung für das Standbild (und den König)!
Die Rettung der Juden durch ihren Gott ist sicherlich der Höhepunkt der Geschichte. Dass die drei den Gott Nebukadnezzars nicht verehren wollten, war allerdings unabhängig von einem solchen Ausgang (V. 18)! Ebenso beeindruckt darum ihre (bedingungslose) Haltung der Anbetung – ein Punkt, der in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments noch stärker betont ist. Dort findet man – wie beim Propheten Habakuk – eine längere Variante (gegenüber der aramäischen). 67 (!) zusätzliche Verse (eingefügt nach V. 23) geben ein Gebet und einen Lobgesang der in den Ofen geworfenen Männer wieder.
Aha – gibt es in deutschen Bibeln auch eigenes Bonusmaterial?
Die Reformatoren in Wittenberg und Zürich hatten als Übersetzer eher die gegenteilige Tendenz: Für sie hatten alle Texte, von denen es nur eine griechische Version gab, nicht den gleichen Rang wie der Rest des Alten Testaments. Wer also heute z.B. eine Luther-Bibel aufschlägt, findet die oben erwähnten 67 Verse in einem separaten Mittelteil vor dem Neuen Testament – oder überhaupt nirgends! In der kath. Einheitsübersetzung hingegen hat das Buch Daniel immer noch ein sehr langes drittes Kapitel – und auch ein dreizehntes und vierzehntes. Doch erst ein fünfzehntes würde die Frage nach einer deutschen Fortschreibung aufwerfen. Bis dahin entspricht die Übersetzung einfach der griechischen Tradition, welche die Kirche dann zur lateinischen gemacht hat.
Übrigens gab es auch schon Latein in der Bibel, bevor man diese übersetzte – freilich nur in griechischer Schrift, als Lehnwörter im Neuen Testament. Ein Beispiel dafür wäre der militärische Begriff „Legion“ (s. Mt 26,53; vgl. Mk 5,9.15 u. Lk 8,30). Als letzte ist also die römische Fremdherrschaft bis in die Sprache der biblischen Originaltexte eingedrungen! Doch in diesem Fall besteht historisch kein Zweifel darüber, wer hier wen stärker geprägt hat: Jesus kam aus dem Grab wie die drei Männer aus dem Ofen und verursachte dadurch eine geistliche Widerstandsbewegung, deren Alternativkultur diejenige Roms innerhalb kurzer Zeit weitreichend unterwanderte! Indem er aber zuerst den ganzen Weg bis in den Tod ging und nicht schon bei seiner Verhaftung um die Hilfe von mehr als zwölf Legionen Engel bat, zeigte auch er seine anbetende Haltung. Bist auch DU für beides bereit – a) einerseits mit der Möglichkeit wundersamer Rettung zu rechnen und in Erwartung zu sein, b) andererseits keinen Anspruch darauf zu erheben und in Anbetung zu bleiben?
Online-Ressourcen zum Buch Daniel
Auf bibelwissenschaft.de findet man einen hilfreichen Überblick (auch über die Zusätze in der griechischen Version). Sommers Weltliteratur to go bietet auf Youtube auch eine Zusammenfassung, die mit Playmobil-Figuren gespielt ist – und zwar hier (genau 10 min). Und von Das Bibel Projekt gibt es das Ganze ebenfalls visuell nett aufbereitet und sogar noch ein wenig kürzer (unter 10 min):
Dies war ein Blogartikel im Rahmen meines eigenen Projektes 8etappen.net und ich hoffe, er hat Lust darauf gemacht, auch selbständig auf Bibel-Entdeckungsreise zu gehen! Fange doch auch mit Etappe 1 an und folge mir in deinem eigenen Tempo! Ich lese nun Etappe 8 zu Ende und werde so in ein paar Wochen wieder einen kurzen Artikel (zu den Psalmen) schreiben sowie hier veröffentlichen. Deine Bemerkungen zum Buch Daniel würden mich übrigens auch sehr interessieren – Kommentieren ist also höchst erwünscht!!