Dreckige Phantasien? Sicher nicht in der Heiligen Schrift! Naja – wer in der Bibel nur jugendfreies Material erwartet, wird bei der Lektüre von Nahum wohl ziemlich schockiert sein: Während Ninive in der Jona-Geschichte den Zorn des Herrn dann doch nicht zu spüren bekommt, wird hier der (historisch tatsächlich erfolgte) Untergang der Stadt in den düstersten Farben ausgemalt. Die Strafverfolgung für das Unrecht, das Assyrien den Menschen in Juda und anderswo angetan hat, bleibt letztendlich nicht aus. Der biblische Gott selbst sorgt dafür, dass auf die eigene Erhöhung auf Kosten der Schwächeren wiederum die Erniedrigung durch noch Stärkere folgt. Er garantiert dafür, dass sich ein Ungleichgewicht der Kräfte nicht endlos in eine Richtung verschärfen kann. Plötzlich dreht sich der Wind und der Absturz erweist sich als ebenso steil wie der Aufstieg davor. Die Frage ist nur: Wenn sich diesbezüglich die eigene Vorstellung prophetisch mit detaillierten Grausamkeiten füllt – soll man diese unreinen Gedanken dann im Namen Gottes aussprechen?
Merkmal Nr. 1: Blut!
Die von Opfern empfundene Schadenfreude oder zumindest Genugtuung darüber, dass die Demütigenden nun selbst zu Gedemütigten werden, ist auf jeden Fall nachvollziehbar. Es kann also gut sein, dass wir es bei Nahum mit einem Zusammenspiel von göttlichem Gerichtswort und menschlichen Rachegelüsten zu tun haben. Die Zerstörung von Ninive war ja keineswegs unverdient. Die massiven Verbrechen werden im ersten Vers von Kapitel 3 genannt:
Für fette Beute war Ninive offensichtlich bereit, jedes Mittel einzusetzen und über viele Leichen zu gehen. “Blutstadt” (so wörtlich im hebräischen Original) ist also eine durchaus angebrachte Bezeichnung für den Ausgangspunkt gieriger Feldzüge, deren Durst zum (wörtlichen oder übertragenen) Ausbluten ganzer Landstriche führte. „Weh der Stadt…“ zeugt also erst einmal von einem intakten, göttlichen Gerechtigkeitssinn. In den darauffolgenden Versen wird dann das trostlose Ende von Ninive in der Bildsprache sexueller Schändung prophezeit. Natürlich gibt das 100 Punkte für maximale Einprägsamkeit, aber für politische Korrektheit kann freilich kein einziger vergeben werden.
Wieso sollte man so etwas Unanständiges heute noch lesen?
Bevor man Gott bzw. der biblischen Prophetie schlechten Stil vorwirft, sollte man zuerst die positive Seite würdigen: Hier wird blutrünstige Tyrannei nicht einfach gleichgültig hingenommen! Und der prophetische Weheruf gegen sie hat bis heute leider überhaupt nichts an Aktualität verloren. Ausbeutende Vampir-Zentren wie damals Ninive in Assyrien kennt man auch im 21. Jahrhundert – egal ob in Nordamerika, (Süd-)Ostasien oder Westeuropa. Und gegenüber der dortigen Konzentration von Macht und Reichtum modelliert die Bibel nach wie vor nicht etwa höfliche Verbeugung, sondern vielmehr ehrliche Feind-Klage.
Ja – auch wenn Jesus mit Feindesliebe und Unterordnung auch noch andere Akzente gesetzt hat, hat er die Notwendigkeit von Kritik und Protest dadurch keineswegs geschmälert. Sein Nachfolger Jakobus ist die Reichen darum zu Recht mit ungezähmter Schärfe angegangen (s. Jak 5,1-6). Wie geht es DIR mit dieser Spannung? Bist du nur dabei, solange alles freundlich und harmonisch ist? Dann möchte ich dich herausfordern, im Sinne gewaltlosen Widerstands auch deine Stimme gegen die Ninives der Gegenwart zu erheben und deren Ruhe beharrlich zu stören!
Online-Ressourcen zum Buch Nahum
Auch aus den vorangehenden zwei Kapiteln gäbe es inhaltlich bemerkenswerte Verse, die man hier hätte vorstellen können. Ich verbleibe jedoch mit dem Hinweis, wie man einen Überblick kriegen kann – nämlich durch den (kurz gehaltenen) Bibelkunde-Artikel von bibelwissenschaft.de oder (etwas ausführlicher) durch folgenden Youtube-Clip von Das Bibel Projekt (5 min):
Dies war ein Blogartikel im Rahmen meines eigenen Projektes 8etappen.net und ich hoffe, er hat Lust darauf gemacht, auch selbständig auf Bibel-Entdeckungsreise zu gehen! Fange doch auch mit Etappe 1 an und folge mir in deinem eigenen Tempo! Ich fahre inzwischen mit Etappe 7 fort und werde so demnächst einen kurzen Artikel zum Buch Obadja schreiben sowie hier veröffentlichen. Deine Bemerkungen zum Buch Nahum würden mich übrigens auch sehr interessieren – Kommentieren ist also höchst erwünscht!!