Beim Abspielen von Musik entscheiden oft die ersten paar Sekunden, ob man weiter hört oder zum nächsten Titel springt. Ähnlich dürfte es in der Anfangszeit der Jesus-Bewegung gewesen sein, wenn ein Schreiben vorgelesen wurde: Was machte da die Leute (nach den Regeln antiker Rhetorik) wohlwollend, aufmerksam und empfänglich? Das Vorwort! Ohne dieses kamen darum auch die beiden Briefe des Petrus nicht aus. Zu Beginn wird dort jeweils schon mal auf den Inhalt hingewiesen, der dann im Hauptteil zur Entfaltung kommt. Dabei geht es um eine zweifache Vorwegnahme – einerseits der brieflichen Argumentation und andererseits der endzeitlichen Rettung überhaupt. Schauen wir uns die folgenden beiden Texte also mal genauer an.
1. Durchblick verloren? Nicht schlimm!
In 1 Petr 1,3-12 finden wir die klassischen Elemente wie etwa auch bei den meisten Paulusbriefen: a) Der Einstieg ist voller Lob – gegenüber Gott (ab Vers 3) und gegenüber den Angeschriebenen (ab Vers 6), weil diese ebenfalls voll des Jubels sind. b) Wichtigkeit und Dringlichkeit werden durch das JETZT hergestellt, für welches Gnade angekündigt und verkündet worden ist – mit dem Heiligen Geist (ab Vers 10). c) Die beiden bisherigen Elemente dienen gleichzeitig auch zur Inhaltsangabe, indem das später entfaltete Thema bereits hier auftaucht – nämlich Glauben im Leiden. Die Glaubenden werden zwar bewahrt (V. 5), aber auch geprüft – wie Gold durch das Feuer (V. 7) und wie Jesus Christus, der auch vor seiner Verherrlichung gelitten hat (V. 11).
Spannend finde ich, dass dabei wiederholt von Offenbarung gesprochen wird: Am Ende der Zeit – aber auch schon den Propheten – wird/ist die Rettung und die Herrlichkeit von Jesus Christus offenbar(t). Gegenwärtig erfährt man diesen aber als unsichtbar (V. 8): „Ihn liebt ihr, obwohl ihr ihn nie gesehen habt. Auf ihn setzt ihr euer Vertrauen, obwohl ihr ihn jetzt noch nicht sehen könnt.“ Für die Liebe und für den Glauben – oder auch die Treue – reicht also in der Gegenwart die Verkündung. Fazit: Nur das Hören ist Voraussetzung, nicht jedoch das Sehen!
2. Durchblick verloren? Sehr schlimm!
In 2 Petr 1,3-11 fällt auf, dass kein Lob oder Dank gegenüber den Angeschriebenen zum Ausdruck gebracht wird. Für deren Wohlwollen (a) soll der kurze Hinweis auf auf die Teilhabe an der göttlichen Macht (ab Vers 3) offensichtlich genügen. Dass diese Berufung gefestigt wird – das soll durch die entsprechend längere Ermahnung (ab Vers 5) hauptsächlich Aufmerksamkeit (b) bekommen. Beides dient wiederum der Erzeugung von Empfänglichkeit (c) für das folgende Thema – nämlich Glauben ohne Vergessen. Den Leidenschaften der Welt und dem Verderben entrinnen (V. 4) sowie in das ewige Reich des Retters Jesus Christus einziehen (V. 11) – das beinhaltet die geschenkte Zusage der Erwählung.
Spannend finde ich, dass dabei wiederholt von Erkenntnis gesprochen wird: Jesus Christus zu erkennen – das erwächst aus Glauben/Vertrauen/Treue und sittlicher Bewährung. Aus der Erkenntnis wiederum erwachsen Selbstbeherrschung, Standhaftigkeit, echte Frömmigkeit, Liebe zu den Glaubensgeschwistern sowie Liebe zu allen Menschen (V. 6-7). Und zu dieser Auflistung wird dann gesagt (V. 8-9): “Wenn ihr dies alles habt und ständig darin zunehmt, wird sich das auswirken und Frucht bringen […]. Wer dagegen all das nicht hat, ist kurzsichtig und geistlich blind.” Letzteres trifft auf falsche Propheten zu, vor deren Irrglaube (bezüglich des verzögerten Wiederkommens von Jesus Christus) später gewarnt wird. Fazit: Weitsicht ist hier nun sehr wichtig und also nicht nur das Hören!
Soll mir das zeigen, dass es zwei Arten von Augenlicht gibt?
Genau! Angenommen hinter den beiden Briefen steht wirklich Simon Petrus (was in der Bibelwissenschaft bezweifelt wird), dann spricht hier jemand offensichtlich aus Erfahrung: Es war ein und derselbe, dem zuerst himmlische Erkenntnis gegeben wurde und dessen Gedanken kurz darauf wieder nicht mehr von Gott stammten (s. Mt 16,17 u. 23; vgl. Mk 8,33). Wer also sind die wahren Treuen, Glaubenden, Vertrauenden und Liebenden? Diejenigen, welche die menschliche Wahrnehmung nicht überbewerten und vielmehr die göttliche Offenbarung beherzigen!
Eine nüchterne Einschätzung des eigenen Erkennens hilft hier also. Auf welches der beiden Vorworte solltest DU gerade besonders hören? Vielleicht gehst du gerade durch eine leidvolle Prüfung oder offenbarungsarme Zeit (1) und wünschst dir das Ende herbei. Dann möchte auch ich dich ermutigen, Gott und Menschen trotzdem weiter zu lieben. Vielleicht gerät bei dir das einst erkannte Reich des Retters Jesus gerade in Vergessenheit (2) und du bist dabei, zu den Leidenschaften der Welt zurückzukehren. Dann möchte auch ich dich ermutigen, in der Liebe zu Gott und Menschen wieder zuzunehmen. Egal was bei dir gerade dran ist – warum nicht als ersten Schritt ein entsprechendes Gebet jetzt nach oben schicken?
Online-Ressourcen zu den Petrusbriefen
Auf bibelwissenschaft.de findet man zu Brief 1 und Brief 2 jeweils hilfreiche Überblicke. Das Bibel Projekt bietet auf Youtube ebenfalls Zusammenfassungen, die grafisch besonders nett aufbereitet sind – hier die Links zu 1. Petrus und 2. Petrus (jeweils 8 min). Und dank folgendem Grundsatzvortrag von Worthaus darf man beide Briefe als heilige Texte würdigen – ganz ohne Angst vor der kritischen Frage, ob Petrus wirklich als deren Autor angesehen werden kann oder nicht (88 min):
Dies war ein Blogartikel im Rahmen meines eigenen Projektes 8etappen.net und ich hoffe, er hat Lust darauf gemacht, auch selbständig auf Bibel-Entdeckungsreise zu gehen! Fange doch auch mit Etappe 1 an und folge mir in deinem eigenen Tempo! Ich fahre nun mit Etappe 7 fort und werde so demnächst einen kurzen Artikel zu den Johannesbriefen schreiben sowie hier veröffentlichen. Deine Bemerkungen zu den Petrusbriefen würden mich übrigens auch sehr interessieren – Kommentieren ist also höchst erwünscht!!