Politik: 3 Protestparolen in den Psalmen

Es gibt die, welche zu wenig Distanz zum aktuellen Zeitgeschehen halten: Mal sieht man von Tag zu Tag schwärzer im Hinblick auf die Gesellschaft, mal steigert man sich euphorisch in ideologische Versprechen einer Partei hinein. Und es gibt die, welche zu viel Abstand von der Öffentlichkeit nehmen: Man zieht sich in ein Maximum an Privatsphäre zurück, man kommt (z. B. gegenüber dem Staat) nur noch einem Minimum an Verpflichtungen nach. Mit solcher Weltflucht und -verweigerung hat die Bibel allerdings genauso wenig zu tun wie mit Angepasstheit an die gegenwärtige Mehrheitskultur. Und aus diesem Grund sollten wir in diesem Buch nicht nur nach immerwährenden Weisheiten suchen, die relativ leicht aus ihrem historischen Zusammenhang gelöst werden können. Mindestens so beachtenswert für uns sind auch Texte, die untrennbar mit der jüdischen Geschichte verbunden sind – insbesondere mit dem Jerusalemer Königtum! Aber was geht das uns im deutschsprachigen Raum an, wo inzwischen allen die Monarchie fremd ist? Wieso sollten wir uns in modernen Demokratien für ein antikes Volk interessieren, geschweige denn für dessen Gebete? Nun, folgende drei Kurskorrekturen sind heute nicht weniger notwendig als damals:

1. Erinnerung statt Verwirrung!

Herr, wo sind sie, die früheren Beweise deiner Güte? Du hattest sie David versprochen und dich mit deiner Treue dafür verbürgt!

Mit diesen Worten protestiert Psalm 89 gegen den Sturz der Königsdynastie, die doch auf den Bungee-Springer David zurückgeht! Sollte dessen Ururur…enkel nicht auch 400 Jahre später wieder zeitnah auf den Thron zurückkehren, nachdem Babylon ihn zu Fall gebracht hatte? Gottes Zusage war doch eine ewige Herrschaft! Oder gilt das jetzt nicht mehr? Es ging ja auch nicht nur um den Palast, sondern um ganz Jerusalem und insbesondere die Armen der Stadt (s. Ps 132,15). Nicht nur die königliche Familie hatte ein Interesse daran, dass das Versprechen in Kraft blieb! Und tatsächlich ging die Geschichte von Gottes Güte und Treue irgendwie weiter – zwar unter anderen Bedingungen, aber jedenfalls war das babylonische Exil nicht das Ende. Merke: Lieber ein unvergängliches Erbe ins Gedächtnis rufen, als sich am ratlosen Ausmalen irgendeines Untergang zu beteiligen!

2. Gelassenheit statt Besorgtheit!

Was soll der Aufruhr unter den Völkern? Wozu schmieden sie vergebliche Pläne?

Die Fragen zu Beginn von Psalm 2 sind offensichtlich rhetorischer Art. Dabei wäre es ja eigentlich berechtigt, weltpolitische Hintergrundinformationen zu sammeln. Der Zocker Hiskija hätte die Situation mit den Assyrern vielleicht nicht so unvorsichtig eingeschätzt, wenn er dieses Volk besser studiert hätte. Und doch ist aus biblischer Sicht etwas noch entscheidender für den König (und sein Reich) – nämlich die Sicherheit durch den höchsten Herrn (s. Ps 21,8). Eine andere gibt es letztendlich auch gar nicht: Supermächte kommen und gehen. Kartenmaterial veraltet aufgrund neuer Grenzverläufe. Migration verändert die Statistik über die ethnische Zusammensetzung. Solche Entwicklungen sind nicht zu verhindern – sie können höchstens gebremst (oder beschleunigt) werden. Und sie können entweder mit viel Angst und Panik begleitet werden – wovon garantiert kein positiver Effekt erwartet werden kann. Oder sie bringen uns dazu, dass wir uns von nichts und niemand anderem abhängig machen als allein von Gott. Denn dann kann ruhig alles erschüttert werden, während wir durch alle Krisen hindurch auf festem Grund stehen!

3. Kontemplation statt Aggression!

Manche schwören auf gepanzerte Wagen, andere verlassen sich auf Pferde; doch wir vertrauen auf den Herrn, unseren Gott!

So lautet die antimilitaristische Parole von Psalm 20 – obwohl doch auch die Könige Israels keineswegs Pazifisten waren! Und später unter Fremdherrschaft kosteten solche Aussagen ja nichts, da zu solcher Gewaltausübung sowieso endgültig keine Gelegenheit mehr bestand. Wie auch immer – von Jerusalem aus sah man im Vergleich der Armeen eigentlich zu jeder Zeit den Gegner im Vorteil. Seit jeher konnte also nur eine andere Stärke das Ungleichgewicht wettmachen – vorausgesetzt sie wurde erkannt. Leider begriffen viele (Ver-)Führer nicht, was schon der Segensbringer Mose erkennen durfte: Unser Glück besteht in einem unvergleichlich mächtigen und guten Gott! Manche machten aber tatsächlich diese Erfahrung, dass man sich hinter IHM bergen konnte wie hinter einem Schild oder wie hinter den Mauern einer Festung/Burg (s. Ps 144,2). Ja, auch heute brauchen wir geistlich kämpfende Persönlichkeiten, die den himmlischen Helfer klar vor Augen haben und so unter all den martialisch geblendeten Nationen einen Unterschied machen. Wie vermeidbar wären doch die kriegerischen Möchtegern-Retter, von denen nur die Waffenindustrie etwas hat und sonst niemand!

Werden hier nicht Bereiche vermischt, die zu trennen sind?

Richtig ist, dass bereits Jesus zwischen dem Recht des Kaisers und demjenigen Gottes unterschieden hat (Lk 20,20-26; vgl. Mk 12,13-17 u. Mt 22,15-22). Doch was genau meinte er damals? Dass die höchste Instanz grundsätzlich überall der Kaiser sei – nur nicht in den jüdischen Herzen? Oder dass die höchste Instanz grundsätzlich überall Gott sei – nur nicht in der römischen Verwaltung? Letzteres trifft es wohl eher: Jesus lehrte eine göttliche Vision, die im Innersten glaubender Individuen zwar ihren Anfang nahm, aber durch Überzeugung sehr wohl hinaus in alle Sphären wachsen sollte. Im Kontrast dazu stand ein kaiserliches System, das rücksichtslos – von oben bis unten – die Agenda eines sich über andere erhebenden Familienverbands erzwang.

Auch unsere Demokratien heute können lediglich kalte Systeme sein, deren Programm gar nicht mehr die Rücksicht auf möglichst viele Menschen ist. Diesem Zerfall kann aber durch die Wiederbelebung einer überzeugenden Vision entgegengewirkt werden! Und dabei denke ich beispielsweise an den Schutz einer umfassenden Freiheit, von der gerade auch in religiöser Hinsicht alle profitieren – ich auf dem Jesus-Weg genauso wie meine muslimische Nachbarin oder mein atheistischer Nachbar. Frage: Wie könntest du dazu beitragen? Vielleicht als jemand, der/die (1) vielen Ratlosen zur Gedächtnisauffrischung verhilft, (2) jeglicher Panikmache unerschüttert entgegensteht, (3) geistlich sieht und kämpft?

Psalmvertonungen auf Youtube

Das englischsprachige Projekt The Shiyr Poets bringt die vielfältigen Stimmungen des Psalters zum Klingen. Wer sich nach diesem Artikel eher entspannen möchte, sollte sich Psalm 20 zu Gemüte führen. Wer hingegen die Spannung vorzieht, findet Psalm 2 wohl passender:

Dies war ein Blogartikel im Rahmen meines eigenen Projektes 8etappen.net und ich hoffe, er hat Lust darauf gemacht, auch selbständig auf Bibel-Entdeckungsreise zu gehen! Fange doch auch mit Etappe 1 an und folge mir in deinem eigenen Tempo! Ich nehme nun als Nächstes Etappe 4 in Angriff und werde so voraussichtlich zum Jahreswechsel einen kurzen Artikel zum Johannesevangelium schreiben sowie hier veröffentlichen. Deine Bemerkungen zu den Psalmparolen würden mich übrigens auch sehr interessieren – Kommentieren ist also höchst erwünscht!!

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