Nur nicht die Hoffnung verlieren! Während ich das schreibe, jährt sich die Corona-Pandemie. Die Leute sind müde, aber der Wunsch nach einem normalen Leben ohne Beeinträchtigungen bleibt weiter unerfüllt. Das Motto ist also ähnlich wie im Brief an die Hebräer – Durchhalten! Die Krise damals wurde allerdings nicht durch die Aufwärtskurve einer Seuche herbeigeführt, sondern durch eine Abwärtskurve des Glaubens. Offenbar folgte auf eine anfängliche Begeisterung nun eine zweite Phase der Ernüchterung. Wer in diese Situation hinein den uns überlieferten Text geschrieben hat, ist nicht bekannt. Zudem sind die Lösungsansätze, mit welchen dem Problem inhaltlich begegnet wird, keine einfachen Rezepte. Trotzdem fallen unter anderem folgende drei Leitlinien ins Auge.
1. Hörend bleiben
Aus Hebr 5,11-14 geht ein Verhältnis hervor, das nicht stimmig ist: Es gibt einerseits viel Nahrhaftes zu sagen und andererseits eine Milchnot – nicht einmal die Grundlagen sind vorhanden (Verse 11-12). Statt Erklärungen an andere weitergeben zu können, brauchen die Angeschriebenen den Unterricht immer noch selbst. Sie sind unverständige Kinder und nicht im Unterscheiden geübte Erwachsene (V. 13-14). Dabei wird ihnen mehr vorgeworfen als nur, dass sie nicht vorwärts streben. Offenbar haben sie – wie an anderen Stellen noch deutlicher wird – sogar Schritte rückwärts gemacht!
Voraussetzung dafür, dass man Musik genauer verstehen und z.B. nachspielen kann, ist Gehörbildung. Bei Gott ist das ähnlich: Horchen und Gehorchen – das ist keine einmalige Aktion zum Abhaken, sondern eine Schule des lebenslangen Lernens. Wenn schon Jesaja eine Botschaft an die Abgestumpften hatte, dann gilt das für Jesus erst recht. Dieser ist zwar der endgültige Prophet – aber gerade auch dann bedarf es immer wieder neu offener Ohren! Er will uns nämlich nicht einfach zu Habenden, sondern umso mehr zu Suchenden machen.
2. Verbunden sein
Mit Hebr 8,1-6 sind wir bei der Pointe angelangt: Jesus versieht den priesterlichen Dienst im Himmel, indem er zur rechten Seite Gottes Platz genommen hat (Verse 1-2). Nur ein Schatten ist demgegenüber das irdische Heiligtum, wo Opfer nach dem Gesetz des Mose dargebracht werden (V. 3-5). Im Vergleich dazu vermittelt Jesus mit seinem Priesterdienst mehr – bessere Zusagen, einen besseren Bund (V. 6). Und wie dieser durch den Tod von Christus zustande kommt, wird dann in den darauffolgenden Versen noch näher erläutert.
Ein Mensch opfert etwas für einen anderen, um z.B. eine Eheverbindung zu pflegen oder – nach einem Vorfall von Untreue – wiederherzustellen. Auch Gaben für Gott sollen dazu dienen, dass es in dieser besonderen Beziehung gut läuft. Die Geschichte vom Volk Israel und von dessen Herrn wird auch tatsächlich als ein Liebesdrama dargestellt. Und dieses hat Jesus nun noch auf die Spitze getrieben, indem er als Mittler alles Bisherige übertrifft: Er ist der allerhöchste Priester, der nichts weniger als sich selbst gibt – und zwar für die gesamte Menschheit!
3. Frei werden
Bis Hebr 13,20-25 bleibt man im Unklaren darüber, wessen Worte das hier eigentlich sind. Immerhin ist da nun aber doch noch ein Briefende, dem man wenigstens ein paar Hinweise entnehmen kann: Der Gnadenwunsch kommt offenbar aus Italien (Verse 24-25), wo gerade Timotheus aus dem Gefängnis freigelassen wurde (V. 23). Dieser ist also kein Gefangener mehr – eine (zufällige oder beabsichtigte) Parallele dazu, dass der Hirte Jesus von Gott aus dem Totenreich heraufgeführt worden ist (V. 20). (Ein Herrscher wird in der Bibel oft als Hirte bezeichnet.) Jesus wird also in die Freiheit geführt, damit er selbst als Führer wiederum andere befreit. Dabei geht es um eine Befreiung und Befähigung dazu, Gutes zu tun (V. 21). Was ohnehin nur ein kurzes Wort sein sollte (V. 22), wird hier also noch einmal zu einem besonders konzentrierten Fazit verdichtet.
Menschen (oder Tiere) sorgen immer wieder für Schlagzeilen, indem sie in eine ausweglose Lage geraten und dann durch eine Befreiungsaktion gerettet werden. Als eine solche Aktion kann die Auferweckung aus dem Tod gedeutet werden: Im Gegensatz zu griechisch-philosophischen Vorstellungen steht hier der Glaube, dass der Mensch zunächst ganz stirbt und nichts von ihm weiterlebt. Nur Gott kann also aus diesem unentrinnbaren Ort erlösen – in eine neue Schöpfung hinein, die sich ebenfalls auf den kompletten Menschen mit seinem Inneren und mit seinem Körper auswirkt. Jesus lehrte das als Erwartung an das Ende der Zeit und dann ist es sogar an ihm selbst vorwegnehmend demonstriert worden. Die Vorwegnahme der Neuschöpfung wird zudem auch an denen sichtbar, die Gott schon jetzt mit ihrem Tun gefallen. Diese sind das freigesetzte Volk, über das Jesus der ewige König ist.
Sollte man bei Ermüdung nicht einfach für Erweckung beten?
Klar – ich liebe das Gebet für ein neues Pfingsten, für die herabfallende Kraft des Heiligen Geistes, für Zeichen und Wunder im ansonsten ganz normalen Alltag. Der Hebräerbrief zeigt jedoch: Glauben und Hoffen – das bedeutet auch einfach, dass man viele kleine Schritte nach vorne geht. Das ist zwar nicht so spektakulär, aber genauso geistlich. Das alleinige Träumen von einem neuen Kick bringt nicht ans Ziel. Man entwickelt sich dann sogar zurück – wie diejenigen, für die der Messias Jesus nur vorübergehend identitätsstiftend war und die sich dann wieder an ihrer früheren Lebensordnung orientierten.
Im Christus-Dienst darf sich nicht der risikoscheue Mensch freuen, sondern (Jak 1,12) „wer auf die Probe gestellt wird und sie besteht; denn Gott wird ihm den Siegeskranz geben, das ewige Leben, das er allen versprochen hat, die ihn lieben.“ Und auch wer Prüfungsangst hat, ist von diesem Versprechen nicht ausgenommen: Auf das Durchfallen folgt einfach das Wiederholen – es ist ein anhaltender Prozess. Worauf wirst DU gerade getestet? Auf (1) Lernfähigkeit an sich oder (2) Empfangsbereitschaft in deiner Gottesbeziehung oder (3) Verfügbarkeit für die Neuschöpfung? Was auch immer es ist – ich bete, dass du entsprechend die prophetische/priesterliche/königliche Seite von Jesus (noch) besser kennenlernst!
Web-Empfehlungen zum Hebräerbrief
Natürlich gäbe es auch in den anderen Kapiteln des Schreibens noch viel zu entdecken. Ich verbleibe nun aber mit dem Hinweis, wie man noch einmal einen Gesamtüberblick kriegen kann – nämlich durch den entsprechenden Bibelkunde-Artikel von bibelwissenschaft.de oder durch folgenden Youtube-Clip von Das Bibel Projekt (8 min):
Dies war ein Blogartikel im Rahmen meines eigenen Projektes 8etappen.net und ich hoffe, er hat Lust darauf gemacht, auch selbständig auf Bibel-Entdeckungsreise zu gehen! Fange doch auch mit Etappe 1 an und folge mir in deinem eigenen Tempo! Ich fahre inzwischen mit Etappe 8 fort und werde so nächsten Monat einen kurzen Artikel zur Offenbarung (des Johannes) schreiben sowie hier veröffentlichen. Deine Bemerkungen zum Hebräerbrief würden mich übrigens auch sehr interessieren – Kommentieren ist also höchst erwünscht!!