Zweite These: In der Bibel geht es um das Leben, auf dass man erfahrungsreich und sinnvoll lebt.
Hilfreiches und Schlaues
Viele Menschen denken, dass DIE biblische Grundunterscheidung diejenige zwischen richtig und falsch ist. Die kirchliche Vermittlung klingt jedenfalls tatsächlich nicht selten so – rechthaberisch und damit unsympathisch. Dem Original entspricht sprachlich allerdings eher, wenn man fragt: Hilft X – oder nicht? Ist Y weise – oder nicht? Der Ton macht die Musik. Statt von oben herab zurechtgewiesen zu werden, wünscht man sich Begleitung und Unterstützung im Alltag. Und genau diesen Wunsch erfüllt die Bibel! Zu deren Rat gehören Empfehlungen im Hinblick darauf, was auf dem eigenen Weg wirklich den Unterschied macht. Oder man lernt, unter die Oberfläche und so ins Wurzelwerk zu blicken – von tiefer Schuld über noch tieferes Erbarmen bis zu tiefster Freude.
Im Alten Israel war es offenbar so wie auch an anderen Orten und zu anderen Zeiten: Der durchschnittliche Mensch lebte einfach unbekümmert, aus dem Affekt heraus. Vom Durchschnitt hob sich darum ab, wer über einen schlauen Kopf und die Fähigkeit zur Besinnung verfügte – z.B. Gideons Vater oder Simsons Mutter. Die Familientradition Abrahams besteht aus Geschichten von starken Gefühlen wie Zorn oder Furcht. Dabei werden Worte ausgesprochen, die eine weitreichende Wirkung – wie auch in einigen Mose-Erzählungen – zur Folge haben. Von Anfang an kann man die Bibel also als eine Einladung lesen, nach einem weise(re)n Umgang mit inneren Regungen zu fragen: Kommt aus mir Segen – oder Fluch?
Scheinheiligkeit oder Tragfähigkeit?
Lernfähigkeit wird – gerade auch bei Jesus – als wichtige Voraussetzung gefördert und belohnt. Es gibt demgegenüber nämlich viele scheinheilige Lehrmeister, die den Zugang zum tieferen Verstehen regelrecht versperren. Wer also lehrt und überhaupt spricht, begibt sich in eine gefährliche und nicht zu verharmlosende Situation. Es reicht ein feuriger Mund, eine giftige Zunge – und es bleiben nur noch Verbrennung und Tod zurück. Trotzdem besteht nicht nur das Risiko bleibender Schäden, sondern auch die Chance des verbalen (Auf-)Helfens – durch Lob beispielsweise.
In der Bibel sind Spruchweisheiten gesammelt worden, die auf Quellen des Glücks hinweisen – z.B. Dankbarkeit, Eigenverantwortung, Solidarität. Manchmal zeigt der Realitätscheck allerdings, dass sich simple Rezepte als nicht mehr tragfähig erweisen. In Ohnmachtserfahrungen ist darum letztlich nicht das Feiern oder Auswerten des Lebens, sondern das Loslassen in der Gottesbegegnung DIE Trostquelle schlechthin. Zwar kann das wiederum als billige Vertröstung auf bessere Zeiten gehört werden. Aber spätestens das Neue Testament stellt klar, dass es nicht um Wirklichkeitsflucht geht: Mutig sieht man bei der gegenwärtigen Ungerechtigkeit hin und handelt, WEIL es eine zukünftige Umkehrung der Verhältnisse gibt UND diese durch die Gemeinschaft der Glaubenden vorweggenommen werden kann!
Sich umgewöhnen – ohne Verkrampfung
Die neuen Jesus-Werte sorgten in der herkömmlichen Ehre-Kultur der Antike für eine steile (Um-)Lernkurve und beantworteten die Frage nach Sinn des Lebens radikal anders. Für jüdische und erst recht für nicht-jüdische Menschen bedeutete das, sich von eingefleischten Gewohnheiten zu verabschieden. Und so sucht der göttliche Geist auch heute noch nach für ihn und für seine Veränderung offenen Lebens- und Herzenshäusern, in denen er Zimmer um Zimmer ausmisten und entrümpeln darf: Für alles Tote und Überholte ist kein Platz mehr!
Wer nach dem vollkommenen Lebensstil strebt, sollte trotzdem eine bleibende Unverfügbarkeit akzeptieren: Der Finger der biblischen Erkenntnis zeigt immer sehr nüchtern auf die menschlichen Grenzen, die aller Selbstverbesserung und Lebensoptimierung gesetzt sind. Wer sich also vor lauter ethischen Problemlösungen für eine nachhaltigere Zukunft nicht mehr an der Ästhetik und an der Gegenwart erfreuen kann, sollte von diesem Trip dringend wieder runterkommen. Darum kann die Bibel z.B. auch erotisches Begehren ganz ohne Vorbehalte würdigen – statt immer nur verkrampft zu kritisieren, dass beim Lustspiel zu wenig Verantwortung übernommen wird.
Reife statt Rücksichtslosigkeit
Oft gibt es einen biblischen Weg der Mitte, der zwischen zwei abwegigen Extremen durchführt. Es wird z.B. sowohl vor den Enthaltsamen als auch vor den Zügellosen gewarnt. Vor deren Irrtümern sollten insbesondere die jungen Jesus-Gemeinden bewahrt werden. Daraus folgt die bis heute bleibende Wichtigkeit von Leitungsteams, die sich aus erfahrenen und reifen Menschen zusammensetzen. Diese verzetteln sich nicht in willkürlichen Geboten oder Verboten, sondern sind auf EINE Lebensregel fokussiert – nämlich die LIEBE, die in Tat und Wahrheit sichtbar werden soll.
Bei der Versammlung zum Gottesdienst wird es schnell unstimmig, wenn man sich z.B. nur noch um das Feiern mit Liedern sorgt und nicht mehr um Recht und Gerechtigkeit. Ebenso wenig fühlt der biblische Gott sich als Schöpfer und Vater ernst genommen, wenn Einzelne ihre Interessen rücksichtslos über das Gemeinsame und Geschwisterliche stellen. Es soll vielmehr so in Treue zueinander gelebt werden, dass man letztlich gar keine Unterschiede nach Herkunft mehr macht und die ganze Menschheit als eine weltweite Familie betrachtet.
Zweites Fazit: Die Ermutigung zum Erfahrungslernen und zur Sinnsuche nimmt in der Bibel durchgehend viel Raum ein. Im Widerspruch dazu steht eine verbreitete Enge diesbezüglich: Warum setzen viele Menschen, die sich für biblisch orientiert halten, auf moralinsaure Totschlagargumente statt auf persönliche Aha-Erlebnisse?
Thematisch relevante Links
Zu einem guten und gesunden Leben kommt man manchmal über schmerzhafte Umwege. Auch das intensivste Bibelstudium führt nicht einfach automatisch und direkt dorthin. Mit seiner Story bekannt geworden ist z.B. Peter Scazzero, der auf dem Youtube-Kanal von Willow Creek Deutschland in einem Interview (27 min) zu sehen und zu hören ist. Und bei ERF Mensch Gott kann man die eindrückliche Geschichte meines Vorgängers in der Vineyard Basel hören – wie das Image von Martin Benz zerbrach und wie er darin Gnade erlebt hat (28 min):
Mit meiner dritten Antwort auf die Frage „Was steht in der Bibel?“ geht es nächsten Monat weiter. Meine Einladung an DICH, im Rahmen meines Projektes 8etappen.net selbst bei Etappe 1 anzufangen und mir durch die Bibel zu folgen, bleibt natürlich bestehen. So findest du nämlich gleich aus erster Hand heraus, was wirklich „biblisch“ ist. Ansonsten kannst du natürlich auch erst einmal meine Antwort(en) auf diese Frage lesen. Vielleicht regt dich das ja dann an, selbst nachzuforschen.